Die Nacht war mit viel Regen und Blitz und Donner. Gerade wieder
in Tiefschlaf gefallen schrecke ich auf. Ich höre von fern eine Stimme
durch meine Ohropax. Jörg. 5:15 Uhr. Mühsam schäle ich mich aus meinem
Daunensack. Schwankend auf den Beinen und noch halb im Schlaf wandere
ich über den nassen Boden zum Wohnwagen. Selbe Morgenroutine wie immer
und 30min später zum Bus. Ich bin überhaupt nicht wach und will auch
nicht aufwachen. So lange im warmen Bus dösen wie es geht.
Am Start fragt uns Helmut, er möchte sich uns anschließen, weil sein
Sohn und Laufpartner eine Handgelenkentzündung hat und heute pausieren
muss. Alleine darf niemand laufen. Der Start ist Routine, doch "Highway
To Hell" zündet immer noch ein wenig die Emotionen an. Los geht das Feld
auf die langen 20km. Für alle mit Schienbein- oder Knieproblemen eine
Tortur. Und das sind viele. 20km. Flach. Nach 3km steht der am Zaun, der uns gestern bergab noch rasend überholt hat.
Knie völlig kaputt? 1km weiter verabschiedet sich der junge Deutsche von
Team 17 von seinem Partner. Sein Knie geht nicht mehr. Ich treffe wieder
mal Hanspeter und wir bekräftigen uns, dass Vorsicht extrem wichtig ist.
Unser Feldweg geht zwar am Fluss entlang, doch keine schönen An- und
Aussichten. Dann auch noch Asphaltstrasse mit Baustellen, Gewerbegebiet,
vielen Häusern und Strommasten. Und Autos rauschen auf der Landstrasse
neben uns vorbei. Lange und ermüdende km für Jörgs Knie.
Gerade bin ich einige Minuten voraus gelaufen, will mich irgendwo ein
Weilchen meditativ hinsetzen, da sehe die Zeitmatte. Ausgebremst. So
lege ich mich spontan wartend 5min aufs Pflaster. Hut ins Gesicht
gezogen. Siesta mexicana. Ist nicht kühl. Andere warten stehend neben
mir auf ihrem Partner. Bronco weckt mich. Ah, endlich Verpflegung! Ich
beiße in die dunkelroten Melonenstücke, finde die Tigerbananen toll. Und
schon geht’s weiter. Wir sind nur 15min unter dem Zeitlimit. Wir laufen
durch Bruneck, dann endlich geht es bergauf. Endlich, weil es eine
andere Belastung ist, langsamerer und ein schonenderer Gang. Auch heute
treffen wir wieder Michael+Laney, unsere Freunde aus USA, das Totenkopf
Team aus England, die Spanier um Carlos „Demonio“ und
einige Deutsche wie die Bayreutherinnen und natürlich Katrin+Nicola. Mir
fällt auf, dass mit jedem Tag mehr Teams getrennt laufen. Immer wieder
kommt mir „Lasciatemi cantare, con la chitarra in mano, sono Italiano
vero“, oder irgendein anderer Song, den ich vor mich hin hechle.
Bis es steil wird, etwa bei km28 an der Mittelstation des Schigebietes
sehen wir nichts, sind in den Wolken. Sicht 200m. Jörg hat wieder einen
kleinen Hänger, wie gestern um diese Zeit. Ich plaudere mit dem Spanier
Ramon und seinem Partner Lleonard, der Jörg von seinem Schinken-Riegel
anbietet. Christian erzählt mir, dass er an jeder Messmatte bis
zu 45min auf seinen Partner warten muss. Er hat ihn über die
Internetbörse gefunden, und der hat falsche Angaben gemacht zu seinem
Tempo. Ulrike möchte am liebsten ein neues Schienbein, läuft aber
dennoch weiter. Unser Aufstieg wird ab der matschigen Großbaustelle
Mittelstation steil. Aber kein Schnee, nicht kalt, ich brauche weder
Jacke noch Handschuhe. Es scheint sogar etwas Sonne oben auf über
2.000m. Am Gipfel braucht Jörg 5min Ruhe, dehnen, ausruhen, Knie
erholen. Ich sitze derweil meditierend auf einem Holzgestell am höchsten
Punkt und blicke ins Weite. Oder eben gerade nicht.. Als mein Partner
wieder kommt geht’s flott weiter, nun hinab. Nach nur 3 min kommt die
letzte VP. Normalerweise hält sich Jörg genüsslich ein paar Minuten auf,
eine warme Suppe. Doch während ich genüsslich Melonenscheiben verputze
ist er verschwunden. Ups, ich eile ihm hinterher in den Wald. Bäume
liegen quer, untendurch, obendrüber, das macht mir schon Spaß, jeden Tag
mal eine Weile wie ein Wirbelwind über Stein und Wurzel bergab zu
fliegen. Zick zack, spring, höchste Konzentration. Erstaunlich, wie gut
das geht über Felsen, Wurzeln, Schnee und Matsch. Nach wenigen Minuten
habe ich ihn wieder. Schnauf.
Die letzten 5km rollen wir wie die Tage zuvor wieder locker ins Tal. Die
Höhenmeter schmelzen unter unseren schnellen Schritten. Hallo, da kommen
die anderen beiden im grünen Shirt, wir erreichen Mathias + Wolfgang.
Fast schon selbstverständlich kurz vor dem Ziel. Dann folgen die
Deutschamerikaner „Rooney“ Uwe + Partner Hans, ältester
Teilnehmer. Hier ist Asphaltstrasse, nicht zu steil, gut zu laufen bis
ins Ziel in St. Vigil. Zwecks Gaudi und Freude tauschen Bronco und ich
fürs Ziel heute mal die Hüte, was der Sprecher sofort bemerkt.
Bilder Tag 6
(alle Bilder im Großformat
gratis
hier zu haben)
Morgens um 6 Uhr, halb dunkel, Blick auf die Burg |
Start um 7 Uhr |
Und schon ist 1km hinter uns |
Der Hubschrauber kreist über uns |
Überholen geht nicht. Wer wollte das auch? |
Fernsehen immer dabei |
Team 17: Es geht nicht mehr, ich muss aufgeben, lauf du weiter |
Nicht durch die Pfütze und die Schuhe nass + schwer machen |
Ulrike: Noch 30km mit diesen Schienbeinschmerzen? |
Wieder eine kleine Burg |
VP1 bei km11... |
...mit viel Farbe. Ich greife kräftig zu |
Und weiter joggen, auch wenn es den meisten schwer fällt |
Nach Bruneck |
Schnurgeradeaus... |
...am Radweg |
Nicht der Renner, wir sind Schöneres gewohnt... |
...als neben Autos zu laufen |
Es sieht ständig nach Regen aus, doch jetzt die ersten
Sonnenstrahlen |
Eingang von Bruneck |
Freundlicher Carabinieri |
Das alte Bruneck |
Schluss für heute mit den flachen Kilometern auf Asphalt.
Flach klingt gut, aber die Beine wollen nicht mehr so schnell.
Zum Glück geht es jetzt raus aus Bruneck... |
...endlich wieder in die Berge |
Die Hälfte: Noch 20km (gelaufen auch genau 20km) |
Blick ins kleine Tal hinab |
Einladende alte Brücke: Nein, hier nicht durch, sondern weiter
nach... |
...Reischach, einem kleinen verschlafenen Ort... |
...mit im kühlen Frühmorgen auch verschlafenen Kühen... |
...und hier kommt überraschend in der Kurve die Verpflegungsstelle 2 |
Während die Mädels Kuchen lieben... |
...warte ich auf Knallrotes in Variante A... |
...und vor allem B |
Kurzer mentaler Stopp, Innehalten: Ist es nicht genial hier! |
Herrliche Luft + schöner weicher Waldweg zur "Bergfreundehütte"
(1.711m) |
Ich komme aus meiner Beschaulichkeit nicht heraus... |
...irgendwie irre Farblichkeit hier... |
...irre... |
Jetzt tauchen wir in dichte dunkle Wolken... |
...im Winter eine Skipiste |
Endlich über den Wolken... |
...und schon leuchtet alles in der Sonne |
Typisch für heute: Klettern und steigen, oben drüber... |
...und unten durch |
Noch 10km, und immer noch bergauf. Die Beine schmerzen, wir würden... |
...auch gerne eine Pause machen |
Übers Kuhgitter ist nicht nur für Kühe schwer |
Au weia, ab jetzt wird es richtig steil! |
Zentimeter für Zentimeter, das zieht sich (Interview mit Bronco jetzt?) |
Nach dem Gipfel Posten 3: Durchatmen, ab jetzt geht's in die
Knie. Und wie. |
"Rolling Stones": Wie Steine rollen wir Richtung St. Vigil (Herz der
Dolomiten) |
Hier begegnen uns 20 Biker, schwer schnaufende Mountain-Biker |
Noch etwa eine halbe Stunde |
Bronco ist für heute ganz schön geschafft |
Es geht immer bergab, und immer ein klein wenig zu steil |
Wiesen statt Geröllpiste, das heißt nicht mehr weit bis ins Ziel... |
...in St.Vigil. Leider laufen wir nicht direkt rein, sondern
erst noch eine Schleife |
Die fröhlichen Sprecher begrüßen jeden von uns einzeln |
Jetzt einen Berg Nudeln. Na ja, einen kleinen. Das ist nicht so einfach jetzt |
Sonne und arm, wie herrlich im Ziel |
Wer möchte darf die Magnet-Therapie testen |
Bronco genießt ein Bier (alkoholfrei natürlich!) im Wohnmobil, dann
geht es... |
...zur allabendlichen Pasta-Party und Siegesfeier ins Zelt |
Sonne, Sonne! Es ist warm im Ziel, super gute Stimmung, Sonnenstühle
und leckeres Essen. Ich schlürfe ein paar Becher frischer Früchte aus
dem Mixer, Bauch in der Sonne. Und wieder Melonen, dann ein paar
Gemüsenudeln und kleine Tomaten. Während Jörg seine Kontroll-Messungen
macht, plaudere ich hier und dort ein bisschen, sehe überall Verbände
und Eisbeutel blinken. Ich teste die Magnetfeldliege und mir wird schön
warm dabei. Liegen. Endlich liegen, Trinkgürtel und umgebundene
Regenjacke weg! Eine kleine Freiheit am Fuße der Dolomiten in der
Nachmittagssonne. Kopfschüttelnd blicken Bronco + ich auf die
Ergebnisliste, die für uns nicht stimmen kann. Aber egal, uns geht es
gut, keine Stürze, Verletzungen oder Unlust. Als die Letzten im Ziel
sind, sitze ich bei den jungen Läufern: Als sich fast alle auf die
Zimmer verkrümelt haben, jogge ich die 1,5km zum Campingplatz hoch. Für
20min habe ich das Wohnmobil alleine, die anderen 2 sind Kaffee trinken.
Im Ziel und am Camp finde ich jeden Tag mehr Hilfsbereitschaft und
Zusammengehörigkeit. Der harte Lauf verbindet. Das sehe ich in Details.
Man bietet uns Stromkabel an für den Wohnwagen, die Wäscheleine zu
teilen, hebt uns heruntergefallene Wäsche auf, oder gibt uns Tipps was
es wo gibt. Die Abend-Pasta-Party ist wie immer. Heute schmeckt mir die
Lasagne gut und es gibt frischen Tomatensalat. Der Demofilm über die
TransRockies interessiert mich. Dann kommen die wie immer schönen Bilder
des Tages und das Video. Danach leert sich das Zelt in 2min. Eine SMS an
meinen dicken Freund daheim, der uns fleißig im Internet verfolgt. Es
eine ganz andere Welt hier. Immer wieder blitzen Bilder auf. Das
geschwollene rot entzündete Schienbein des Spaniers, der mich bittet für
heute und künftig ihn weiterzulaufen. Er wird auf mich im Ziel warten.
Der humpelnde Stuttgarter nun mit Gipsfuß: Schienbein-Sehnenscheide
geplatzt. Verbindende Blicke über 3 Tische von Lupus dem Wolf vom
Rennsteig. Nein, heute nehme ich keine Gummibärchen wie gestern, ich bin
auf Diät.
Es wird schnell kühl. Um 22 Uhr klappt der Tag für heute zu. Erschöpft
liege ich im Schlafsack. Gute Nacht.
Die Videos des 6. Tages:
a)
Mathias tut nichts weh?
b)
Bronco paddelt
c) Unterwegs immer
ein Liedchen im Sinn
d)
Bronco keucht am Gipfel
Mehr Bilder von unterwegs? Läuferfotos und
Weiteres vom 6. Tag hier
Infos: www.transalpine-run.com
Hier zu
Tag 7
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