Aufstehen ist schwer, aber irgendwie geht es immer wieder. Ich habe das
Gefühl, meine Knie sind entweder dick aufgeblasen und angeschwollen.
Oder sie sind gar nicht mehr vorhanden. Ich fülle ich meine Fläschchen
mit Tee, fette mich an den nötigen Stellen. Alles dabei? Lippenstift?
Ja. Jacke und Handschuhe. Am Start um 7.00 Uhr ist es trocken, obwohl
Regen angesagt ist. Und wir haben Wetterglück, kein Tropfen oder Wind
heute, bis genau ins Ziel. In Ameisenreihe traben wir den Berg hoch,
Überholen geht nicht. An VP 1 nach nur 1 Std gibt daher großes Gedränge.
Und weiter geht es so eng, ist aber ein gut trabbarer Pfad. Wir beide
sind ohne Probleme gestartet, aufgewacht ohne Muskelschmerzen. Nur eben
die Knie... Das viele Bergab. Irgendwie hat Bronco heute einen Hänger,
seine Knie wollen nicht richtig. Das geht die ersten 2 Stunden so. Wir
werden von einigen Teams überholt, die normalerweise hinter uns sind.
Ist gut, sagt Jörg, jeder hat mal so einen Tag.
Der Weg bis zum Anstieg ist nicht anstrengend, der sich steil
und ewig windende Minipfad zum Gipfel ist auch recht gut zu gehen. Es
ist nicht kalt oben, kein Wind, aber leider auch keine Sicht. Alles in
Wolken und Nebel seit dem Start. Die Wolken hängen immer knapp über uns,
oder wir sind drinnen, egal wie hoch wir sind. Das gibt vor dem Anstieg
ein seltsames Licht, das alles irgendwie in Schwarzweiß erscheinen
lässt. Nur die kleinen Läuferfarbtupfen dazwischen.
Mir geht’s gut, meine Gedanken geben Ruhe, eigentlich schlafe ich noch.
2 Stunden vergehen, ich unterhalte mich und die Läufer um mich. Am
Gipfel 2.500m ist es nicht kühl. Ich könnte mich setzen für eine Weile,
doch es ist zu eng auf dem Grat. Es liegt wenig Schnee. Jörg will
schnell weiter, also trabe ich ihm so leichtfüßig wie möglich hinterher.
An VP 2 genieße ich neben der kleinen Kirche meine 5 Melonenstücke. Dann
beginnt ein steiler Anstieg, die 310 Extrahöhenmeter und 5
Extrakilometer, die wir erhielten, weil ein Erdrutsch unseren Weg
verschüttet hatte. Jörg bläst und hat schwere Beine. Wir steigen zäh
auf. Eigentlich schöne Wege, nicht nass und schlammig. Aber er hat eben
einen Hänger. Oben gehe ich dann an ihm vorbei, voraus für ein paar
Minuten Meditation. Irgendwo auf dem leicht zu laufenden Abstieg finde
ich einen Fels, der ideal dafür ist. Ein paar süße Bergheidelbeeren und
dann 5min Ruhe, 2m über dem Trail und den Köpfen der Läufer, zur Ruhe
kommen. Mein Puls legt sich schnell, der Atem folgt, mein Blick verliert
sich im Grün, in den undurchsichtigen Wolken. Meine Augen fallen zu, ein
leicht warmer Strom durchfließt meinen Körper von oben bis unten. Ich
verschmelze in Sekundenschnelle mit dem Fels, mit der Bergluft, der
Himmelsnähe in 2.300m Höhe. Mir wird plötzlich fast warm.
Als
Jörg vorbeikommt und wie abgemacht mir zuruft dass er an mir vorbei ist,
bitte ich noch um ein paar Minuten, ich bleibe. Plötzlich ist die Sonne
in meinem Gesicht. Das erste Mal heute. Ich bin aufgeladen und fliege
dann förmlich über die großen bemoosten Brocken. Auf einmal rollt es
auch bei Jörg wieder, er ist wieder gut drauf, wir plaudern, machen
Gaudi und erreichen das eine und andere der bekannten Gesichterpaare.
Erstaunlich. Wir hatten schon an einem miesen Tag gedacht, doch es geht
wieder. Langsam fressen wir auch wieder Höhenmeter auf und ab im teils
federnden Waldboden. Doch Achtung vor den Wurzeln. Die laufen immer quer
und sind rutschig. Volle Konzentration auch noch nach 5 Stunden. Wir
treffen sie alle wieder, unsere Teams, und 7km vor Schluss selbst auf
Wolfgang und Mathias, unser Team 2. Bergab hat Bronco ein paar km einen
richtigen Talflug, wir schweben leichtfüßig in großen Schritten an allen
vorbei. Wow, was für ein Tagesende! Letzter Posten 5km vor Schluss, das
ist wie gestern, wir halten uns kaum auf, 3 Scheiben Melone, Fläschchen
voll Wasser, und ein paar kleine Tomaten zum mitnehmen. Viele sorgen
sich um die Zeitlimits, sprechen uns unterwegs drauf an. Sie kümmern uns
nicht. Was auch sei. Einige gereizte Kommentare heute, viele Stürze und
auch Herausnahmen wegen der Zeitlimits. Ich krabbele vor Übermut und
Freude ins Ziel auf allen Vieren und Jörg treibt mich mit seinen Stöcken
an.
Bilder Tag 5
(alle Bilder im Großformat
gratis
hier zu haben)
Feuchtkalter Start in Prettau: Die Nacht war verregnet |
Knapp unter der nebligen Decke trabt der Läufer-Lindwurm... |
...in die kühlen Wolken... |
...und über die Wolken |
Km5 Verpflegungsposten 1 (Alprechalm 2.000m) ist in dicker
Wolkensuppe |
"Ihr schauts ja no guat aus" - Klar, nach erst 5km geht's noch
halbwegs |
"Luftverkehrs-Chaos": Stau in den Wolken |
Nach steilem Anstieg + Extra-km: Zeit für
einen Augen-Blick... |
...ins Seitental neben uns |
Der Anstieg zur Bretterscharte beginnt |
Es wird ständig steiler... |
...und steiniger: Mit gesenktem Kopf auf jeden Tritt blicken... |
...bis zum Gipfel (2.537m) in dicken Wolken. Es ist nicht allzu
kühl... |
...und geht schnell wieder abwärts auf diesem schönen, engen... |
...Stück Autobahn |
Huch, ein Tor auf der Autobahn? |
Noch 15km. Heute ist nicht Broncos bester Tag |
Ein Stück entlang des Tals... |
...wo ständig das Wasser rauscht |
Ein Stück Asphaltstrasse, kurz vor... |
...Posten 2: 5min für ausgiebig trinken, ein heißes Süppchen
und Obst |
Und schon geht es wieder aufwärts... |
...im schönen Naturpark. Aber nicht jeder hat gerade Augen dafür |
Noch 10km, auch wenn es relativ flach ist, mehr als Gehen... |
...ist gerade nicht drin |
Oh nein! Was ist das denn? Eine Herde Kühe versperrt unseren Weg... |
...dazu auch noch Wanderer. Der holprige Ausflug ins Gebüsch war
hart |
Für uns schon normal: Rutschige wackelige dünne Bretter über ein
Rinnsal |
|
Auf zu den Wolken! ... |
...mit der Puste wird es schon eng. Aber geschafft: Oben! |
Da vorne ragt ein Stein so einladend hervor... |
...Zeit für eine Runde Augen schließen und Energie tanken |
Hey, komm mal wieder runter... |
...auf den rauen Boden der Tatsachen (Broncos
Video hierzu) |
Ich freue mich jedes Mal auf diese weich zu laufenden Waldpassagen |
|
Schnell wieder steinig, aber wenigstens bergab und halbwegs gut zu
laufen |
Hui, hier geht's runter? Oh ja, und das ohne Pfad |
Ziel in Sichtweite, noch etwa 1 Stunde bis Sand in Taufers? |
OK, bei diesen Wegen 2 Stunden |
Verpflegung 3: Letztes mal kräftig essen + auftanken und dann nur
noch 5km... |
...und alles abwärts. Bei Bronco läuft es nun doch wieder besser... |
...man sieht es (Kurvenlage) |
Gebirgs-Wasser rauscht entlang des Wegs |
Ein kleiner Wasserfall und... |
...oh, ein großer! |
Noch 2km... Zurück aus der Natur... |
...in die Welt von Häuser und Publikum... |
...ich sause ein paar Meter voraus vor Bronco, denn... |
...wir haben einen Plan wie wir heute ins Ziel kommen wollen: Auf
allen Vieren! |
Da ist endlich das Ziel. Ich krabble durch. |
War lustig. Doch danach wieder aufstehen, das ist hart!- Kurz darauf
beginnt es zu regnen. |
Regen? Alles Wurst (20kg), wenn man im Ziel ist |
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Die nassen Sachen trocknen im Camp (Halle)... |
...die Schuhe davor |
Kaum
sind wir 10min im Ziel beginnt der Nieselregen, der dann bald zu
Schauern wird. Gummibärchen und Schokolade, Kräcker mit gutem würzigen
Stilfser Käse. Die riesengroße 20kg Mortadellawurst sieht spektakulär
aus, die meisten Läufer mögen das jetzt. Ein Eistee, und hier paar kurze
Worte und dort. Einer hat seinen Stock abgebrochen, die Andere fand die
km-Angaben nervend ungenau. Das ist das Wenigste. Man hat sich mehrfach
glimpflich auf den Hosenboden gesetzt, sich die Finger geprellt oder
einen infizierten Bienenstich mit Antibiotika behandeln müssen.
Mancheiner humpelt, hat gar Fieber. Aber weitermachen will jeder morgen.
Die Videos des 5. Tages:
a) Bronco ist
zu kaputt für ein Interview
b) Team 252 / Felix:
Es lebe der Sport
c) Carlos
im Todeskampf (Spanisch "muerte")
d)
Rock'nRoll in den Alpen
e) Heute Extra-km:
Bronco hat einen Hänger
f) Team 87 / Winfried:
Das hier ist kein Kindergeburtstag
g) Team 116:
Wer geht voraus?
h) Bronco
rast über Geröllbrocken
i) Team 222:
Man trifft sich immer wieder
j) Lionheart
im Freiflug downhill
Mehr Bilder von unterwegs? Läuferfotos und
Weiteres vom 5. Tag
hier
Infos: www.transalpine-run.com
Hier zu
Tag 6
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