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        Diesmal habe ich mir überhaupt keine Vorstellung von der Veranstaltung 
        machen wollen. Sechs Tage auf der Bahn zu laufen ist einfach 
        unvorstellbar und gedanklich nicht vorwegzunehmen. Wertvolle 
        Mehrtageslauf-Erfahrung hatte ich schon vom Deutschlandlauf. Aber hier 
        sollte es nachts keine festen Ruhezeiten geben und kein Laufen von A 
        nach B in ständig wechselnder Landschaft, sondern nur eine 
        400-m-Aschenbahn. Das sind noch mal ganz andere, härtere (?) 
        Voraussetzungen. Kritisch stand ich der Sache deshalb von Anfang an 
        gegenüber, besonders wegen meiner Schmerzen im Vorfuß, die ich bereits 
        neun Monate seit dem Deutschlandlauf hatte. Ich 
        erinnere noch sehr genau, dass ich mich zu Beginn der Veranstaltung bei 
        schönem Wetter sehr gefreut habe zu laufen und fast euphorisch war. Die 
        Sonne schien, aber nicht zu heiß. Alles wirkte trotz der Bedenken 
        geradezu perfekt. Aufgrund des geringen Tempos fühlt man am Anfang ja 
        auch keinerlei Anstrengung. Zu Beginn haben alle viel erzählt und sich 
        ein bisschen kennen gelernt bis auf den Schotten William, der einsam von 
        Anfang an ein wenig verbissen seine Runden drehte. Wahrscheinlich war 
        überall Erleichterung spürbar, dass das Unvorstellbare nun Realität 
        wurde. Am ersten Abend stand auch noch das Fußball-WM-Finale an, auf das 
        viele Läufer nicht verzichten wollten. Andere drehten einfach weiter 
        ihre Runden, völlig unbeeindruckt vom Spiel der deutschen Mannschaft, 
        das ziemlich unspektakulär verloren wurde. Die 
        Veranstaltung war sehr gut organisiert. Morgens von sechs bis acht gab 
        es ein reichhaltiges Frühstück mit Brötchen, Rührei, Schinken, Käse, 
        Marmelade und Müsli, mittags und abends abwechslungsreiches warmes 
        Essen, um Mitternacht noch ein heißes Süppchen. Fürs leibliche Wohl war 
        also gesorgt. Die meisten Helfer stammten aus dem veranstaltenden 
        Fußballverein Bockum-Hövel und hatten somit eigentlich keine Beziehung 
        zum Ultralaufen. Sie waren aber alle unglaublich bemüht und hilfsbereit. 
        Kein Wunsch war ihnen zu groß. Eine Helferin ist beispielsweise spät 
        abends noch nach Hause gefahren, um mir ihren privaten Blasen- und 
        Nierentee zu holen. Ein anderer junger Mann aus dem Verein stand in 
        seinen Arbeitspausen immer mal wieder am Geländer und sah unserem 
        Treiben kopfschüttelnd zu, freundlich grinsend, sechs Tage lang. Er 
        wurde wie so vieles andere zu einem Fixpunkt für die Läufer. Am letzten 
        Tag musste ich ihn fragen, warum er nicht mehr mit dem Kopf schüttelte, 
        woraufhin er sofort wieder damit einsetzte. Alles war wieder gut. Die 
        Verpflegungsstelle nach der elektronischen Rundennahme am Bahnrand war 
        für die meisten sicherlich der erste Anlaufpunkt unter den Helfern. Hier 
        wurde Tag und Nacht heißer Tee und Kaffee gekocht, Melonen, Äpfel, 
        Tomaten geschnitten und allerlei anderes zum Essen nebenbei gereicht. 
        Bekannte Ultraläufer wie Jutta Jöhring und Mattin Becker haben sich 
        dafür zur Verfügung gestellt ebenso wie Vereinsmitglieder und der Sohn 
        von Stephan Isringhausen. Eher bekannt in der Internetwelt ist letzterer 
        unter dem Namen Steppenhahn. 
        Der Betreiber der bekannten Ultra-Seite, hatte sich extra Urlaub 
        genommen und war mit Hund Birke vor Ort. Ihre Stöckchen-Spiele inmitten 
        der Laufbahn zu beobachten war eine willkommene Abwechselung. 
        Unmittelbar nach der vollen Stunde waren für die interessierten 
        Verfolger vor den häuslichen oder dienstlichen Bildschirmen die 
        stündlichen Km-Leistungen im Netz. Stephan hat auch den Service geboten, 
        Mailgrüße an die Strecke zu bringen. So konnte Unterstützung von zuhause 
        auf die Strecke gelangen. 
          
            |  Ablenkung Hundespiele
 |  |  
        Selbst, dass die Turnhalle zum Schlafen ca. 130 Meter von der Bahn und 
        die Toilette sowie das Vereinsheim für die drei Mahlzeiten 20 Meter 
        entfernt waren, fand ich persönlich nicht so tragisch. Bei manchen 
        Läufen stehen Dixiklos direkt an der Bahn. Das ist für absolute Rekorde 
        vielleicht wichtig. Die Aschenbahn war natürlich in der Hitze der 
        kommenden Tage sehr, sehr staubig. Die rote Asche hat sich noch Monate 
        hartnäckig in den Schuhen gehalten. Nach einem wolkenbruchartigen 
        Regenfall war sie vollkommen überschwemmt. Gegen die unterschiedlichen 
        Wetterphänomene erweist sich eine Tartanbahn bestimmt als konstantere 
        und sauberere Laufunterlage. Aber hier haben die Helfer wieder 
        unmittelbar reagiert und eine Pumpe besorgt, um die Wassermassen von der 
        Bahn zu zaubern. Ebenfalls wurde mit Besen und Eimern per Hand 
        gearbeitet, um die Bahn wieder gut passierbar zu machen. 
          
            |  Matsch wegpumpen
 |  Laufen im Matsch
 |  Die 
        Arbeit der Physiotherapeuten Mike und Leif dagegen gar nicht mehr mit 
        Worten zu beschreiben. Ihre Arbeit lediglich als großartig zu 
        bezeichnen, könnte man schon als Beleidigung werten. Sie standen uns Tag 
        und Nacht mit vollem Einsatz zur Verfügung, nicht nur mit ihren Händen, 
        ihrem professionellen Können, sondern auch mit immer wieder neuen, 
        spontanen Ideen und vor allem viel Empathie. Sie haben uns unglaublich 
        viel Wohlbefinden bereitet mit ihrem Reha-Pen aus Edelstahl, den 
        Muskelauflockerungen und der Begünstigung des Lympheabflusses. In 
        unseren Pausen hatte ich das Gefühl, endlich einmal im lange verdienten 
        Wellness-Urlaub zu sein – und das bei einem Sechs-Tagelauf! 
         Einmal 
        hat Leif abends meine Beine massiert, während ein Lehrling mir 
        gleichzeitig eine Fußreflexzonenmassage gegeben hat. Herrlich! Sogar 
        gegen die Blasen hatte Leif eine besondere Methode. Er hat mit einem 
        Baumwollbindfaden mit Knoten an beiden Enden eine Drainage durch die 
        Blase gelegt. Dadurch konnte die Flüssigkeit ablaufen, die Haut aber 
        nicht wieder zuwachsen. Zur Säureregulierung haben die beiden uns immer 
        regelmäßig Basica an die Strecke gebracht. Bei zu großer Hitze, als 
        einmal über 50° C auf der Bahn gemessen wurden, hat Leif mich in einem 
        kalten basischen Bad so stark heruntergekühlt, dass ich danach 
        vollkommen frisch laufen konnte. Vorher hatte ich eine Stunde im 
        abgedunkelten Raum ohne jegliche Bewegung unerträglich geschwitzt. Mike 
        und Leif haben es sogar geschafft, meine chronischen Schmerzen am Fuß zu 
        beseitigen. Ein Orthopäde sowie ein Radiologe hatten zuvor unisono 
        behauptet, dass man bei Überlastungsschäden im Fuß nichts machen könne, 
        außer eben weniger zu laufen. Diese Info hat Mike kopfschüttelnd 
        aufgenommen und den Fuß sofort behandelt. Schon nach der ersten 
        Behandlung war eine sofortige Linderung zu spüren. Unter der enormen 
        Belastung haben die beiden die Schmerzen endgültig wie überflüssigen 
        Ballast entsorgt. Sie sind bis heute nicht wiedergekehrt. Ich glaube, es 
        lohnt sich sogar eine sehr weite Anreise nach Hamm, um sich in ihrer 
        Praxis behandeln zu lassen. Solche Physiotherapeuten findet man so 
        schnell nicht wieder. Über ihre inhaltliche Arbeit ist konkreteres auf 
        ihrer Homepage zu erfahren: 
        
        www.mike-ketels.de Auch 
        die Pressearbeit war sehr gut. Das ist bei Ultralauf-Events lange nicht 
        selbstverständlich. Jeden Tag hat ein Artikel im Westfälischen Anzeiger 
        mit Fotos über den Fortschritt des Laufes und über einzelne Läufer 
        berichtet. Das Radio an der Strecke ließ uns Nachrichten über unsere 
        Leistungen hören. Sogar der WDR hat einen fünfminütigen Bericht 
        hauptsächlich über Uwe als Lokalmatador aus Hamm gesendet. Direkt auf 
        der Bahn auf dem Laptop des Zeitnehmers aus der Nähe von Dresden konnten 
        wir ihn verfolgen. Dass die Welt außerhalb der Bahn von uns Notiz 
        genommen hat, hat zu Motivationsschüben beigetragen. 
          
            |  Das Duo...
 |  ..eng aneinander gelehnt
 |  Uwe 
        hatte neben dem WDR auch viel Besuch von seiner Familie, alten Freunden, 
        Bekannten und Kollegen. Mal eine Erzählpause einzulegen war für ihn eine 
        willkommene Abwechslung vom Laufen, die ihn danach aber wieder umso mehr 
        motiviert hat. Ich dagegen war so auf meine Runden fixiert, dass ich 
        niemanden an der Bahn registriert habe. Selbst Uwes Sohn mit der lieben 
        Maria und ihrem Sohn im Kinderwagen habe ich zu meiner Schande gar nicht 
        begrüßt, weil ich sie überhaupt nicht wahrgenommen habe. Alle Sinne 
        haben sich wohl zugunsten der Beinarbeit reduziert. Und 
        genau das Phänomen war wohl das Interessante an diesem Lauf. Man 
        schaltet wahrscheinlich so ab und blendet vieles aus, dass man selbst 
        das Offensichtliche seines Tuns, nämlich das stupide Kreisen auf der 
        Aschenbahn gar nicht mehr als solches wahrnimmt. Jeder hatte seine 
        Mechanismen gefunden, um vom Kopf her die „immer währende Runde“ zu 
        bewältigen. Ich habe mich immer wieder auf die volle Stunde gefreut, um 
        dann bald wieder den Fortschritt an der Zeitnehmertafel dokumentiert zu 
        sehen. Danach habe ich mich gezwungen, die Uhr nicht mehr so richtig zu 
        beachten bis zwanzig nach. Dann konnte ich schon wieder sagen: „Na also, 
        ein Drittel der Stunde ist schon wieder um! Kurz darauf war auch die 
        Hälfte schon wieder geschafft. Bei vierzig folgte nur noch das letzte 
        Drittel, bei 45 wurde es lockerer, da das Ende ja schon in Sicht war. 
        Bei 50 war die Freude groß, fast wieder eine Stunde bewältigt zu haben. 
        Und kurz darauf war es schon wieder 12 nach und dann 20 wieder nicht 
        weit. Dieses Spiel, ich weiß nicht, wie oft ich es im Geiste gespielt 
        habe, 50 Mal mit Sicherheit, eher noch mehr.  
        Genauso folgte der Tag relativ festen Regeln: Gegen 5 Uhr dämmerte es 
        langsam, gegen 9 Uhr ließ der Schatten auf der Baumseite der Bahn 
        langsam nach, ab 11 Uhr lag die gesamte Bahn vollständig in der prallen, 
        unerbittlichen Sonne. Ab 17 Uhr gab es auf der gegenüberliegenden langen 
        Seite bei der Tribüne langsam wieder ein bisschen Schatten, ab 19 Uhr 
        war die Hitze erträglich. Ein, zwei Stunden später begann es langsam zu 
        dämmern. Dann wurden die eigens für die Veranstaltung installierten 
        Scheinwerfer eingeschaltet, die wiederum bis 6 Uhr morgens ihren Dienst 
        tun mussten. Die gleiche Prozedur wiederholte sich mehr oder weniger 6 
        Tage lang und wurde durch die ersehnten Essenspausen „von außen“ 
        unterbrochen. Eigene Pausen darüber hinaus waren eine „innere 
        Notwendigkeit“. 
        Richtungswechsel jeweils nach sechs vollen Stunden waren immer von 
        besonderer Begeisterung gekrönt. Die Helfer haben sich am Wendepunkt 
        aufgestellt und alle Läufer mit Abklatschen in die neue Richtung 
        verabschiedet. Welche Freude im monotonen Bahngeschehen, alle 
        entgegenkommenden Mitläufer durch Abklatschen zu begrüßen und immer 
        wieder erneut zu würdigen. In der Nacht haben die Helfer auch immer 
        schnell die Scheinwerfer in die jeweils andere Richtung gedreht, um den 
        Läufern das Geblendet-Werden zu ersparen. 
          
            |  Haltungsnoten
 |  |  Am 
        Mittwochabend kam eine große Laufgruppe aus Hamm,
        die „Radbod-Runners“, zur Unterstützung 
        vorbei. Sie schienen großen Respekt vor unseren Leistungen zu haben und 
        liefen zeitweilig mit auf der Bahn und machten La-Ola-Wellen am 
        Bahnrand. Dadurch konnten wir alle aufgrund des größeren Spaßfaktors 
        schneller rennen oder zumindest leichter vorankommen. Gerne hätten wir 
        sie zwischendrin nochmals begrüßt. An der 
        Siegerehrung nahmen sie 
        wieder teil 
        Schon 
        oft hatte ich gelesen, dass sich bei Mahrtagesläufen am dritten Tag der 
        alles entscheidende psychologische Knackpunkt einstellt. Bei mir kam er 
        am Ende der vierten Nacht. Da habe ich tatsächlich kurz überlegt, ob es 
        noch Sinn macht weiterzulaufen, wo man doch so einfach besser hätte im 
        Bett liegen bleiben können. Aber dazu waren wir ja nicht in Hamm. „Im 
        Bett kann man sonst immer liegen ohne Startgeld bezahlt zu haben! Also 
        wieder aufraffen, auch wenn es schwer fällt, und weiter, immer weiter 
        bis zum Schluss ... Genau, das morgendliche Laufen ist doch eigentlich 
        immer ganz schön“. Solche und andere motivierende Gedanken habe ich mir 
        gemacht und raus ging’s aus dem gemütlichen Federbett. Am fünften Tag 
        war bereits ganz klar, dass es der vorletzte war und nach einer weiteren 
        Nacht schon das Ende schon zum Greifen nahe gewesen wäre. Der letzte Tag 
        war dann für alle viel lockerer und ausgelassener, obwohl noch einmal 
        vermehrt um Kilometer gekämpft wurde. Die 
        meisten Mitläufer waren sehr aufgeschlossen und vertrieben sich die Zeit 
        zwischendurch immer mal durch Erzählen und manchmal sogar 
        philosophieren, obwohl jeder für sich seine ureigene Welt lebte und mit 
        eigenen Zielen, Wünschen und Vorstellungen von der Veranstaltung 
        beschäftigt war. Zunächst waren wir mit 13 Läufern an den Start 
        gegangen. Wolfgang Schwerck hatte angekündigt, einen neuen Weltrekord 
        aufstellen zu wollen. Aber schon am zweiten Tag hatte er sich wegen der 
        zu heißen Temperaturen aus dem Geschehen zurückgezogen. Sein Plan konnte 
        unter den Bedingungen nicht aufgehen. Dieter 
        wollte seinen persönlichen Rekord von 513 km brechen und kämpfte 
        unerbittlich gegen sich selbst darum. Er schlief die meisten Nächte so 
        gut wie gar nicht und glänzte durch Präsenz auf der Strecke. Er ging vor 
        lauter Überanstrengung gegen Ende der Veranstaltung schief und wirkte 
        manchmal am Rande seiner Kräfte, teilweise kaum noch zurechnungsfähig 
        (das ist natürlich nur ein subjektiver Eindruck von einer, die bestimmt 
        auch nicht besser bei Sinnen war). Unsere Physiotherapeuten machten sich 
        auch Sorgen um ihn und wollten ihm helfen. Er konterte aber, dass ihm 
        schon genug geholfen sei, wenn man ihn einfach in Ruhe ließe. So ist 
        eben jeder anders. Auf meine Frage, warum er sich solcher Anstrengung 
        unterziehe, war seine grandiose Antwort, er liebe die Eroberung des 
        Nutzlosen. Wie wahr und bewusst! Über den Sinn, Unsinn oder den Nutzen 
        solcher Veranstaltungen könnte man sicher lange diskutieren. Dieter hat 
        aber noch einen neuen deutschen Rekord im Sechstagelauf in der M 65 mit 
        523,770 km aufgestellt. Unmittelbar nach der Siegerehrung war er nach 
        all der Überanstrengung sogar in der 
        Lage eine druckreife Dankensrede für die Helfer zu halten. Wie 
        unglaublich, wozu Menschen im Stande sein können!
 
          
            |  Ältester Teilnehmer, der Ire Dan (79)
 |  |  Trond, 
        der Norweger dagegen, den wir schon vom Deutschlandlauf kannten, hat von 
        Anfang an klargestellt, in Hamm im Urlaub zu sein und Spaß haben zu 
        wollen. Da er in Norwegen oft Nachtschichten schieben muss, wollte er im 
        Urlaub darauf lieber verzichten. Einen Tag ist er nur etwas mehr als den 
        vorgeschriebenen Marathon gelaufen, weil er zu mehr einfach keine Lust 
        hatte. Mit der Startnummer um den Bauch ist er einmal mit dem Fahrrad in 
        ein nahe gelegenes Einkaufszentrum gefahren, um mal etwas anderes zu 
        sehen. Er kam mit einer Flasche Wasser wieder, weil ihn im Endeffekt 
        doch nichts weiter inspiriert hatte. Aufgrund seiner großen Begabung ist 
        er trotzdem locker zweiter geworden. Aufgrund seiner weißen Mähne wurde 
        er vom Steppenhahn, der auch mit einer wilden Matte glänzen kann und 
        genauso zu Späßen aufgelegt war, als „the most famous hairstylist“ 
        bezeichnet. Als es mal regnete und viele von der Bahn gegangen sind, 
        sagte Trond beim Überholen trocken: „Rain is good for your hair“. Auf 
        mein fragendes Gesicht hin, fügte er gleich noch hinzu, dass ich mir das 
        vom „most famous hairstylist“ mal sagen lassen sollte. Damit war gleich 
        wieder das Eis gebrochen, um zusammen Blödsinn zu reden und zu lachen. 
        Wir haben so viel gelacht, dass wir uns manchmal auf der Bahn oder auch 
        beim Essen die Bäuche halten mussten und der Steppenhahn schon kritisch 
        bemerkte, dass „der Stoff“ ja wirklich gut sein muss. Auch 
        Frank Hildebrandt hatte seine lustigen Minuten, obwohl er insgesamt eher 
        ernsthaft wirkte und oft mit seinem großen Vorbild Else Bayer zusammen 
        ging. Zu dem kleinen 79-jährigen Iren Dan, der immer langsam mit 
        riesiger Sonnenbrille vor sich hin trottete, sagte er einmal im 
        vorbeilaufen: You have nice sunglasses. Als der wiederum mit trockenem 
        englischen Humor antwortete: Yes, I like them, mussten wir auch wieder 
        lachen. Das Spiel ließ sich weiter hinziehen und uns einen Vor- oder war 
        es ein Nachmittag (?) verkürzen. 
        Auf der nächsten Runde fragte 
        Frank, warum Dan denn hier im Kreis laufe. „Ich finde den Ausgang 
        nicht“, war seine prompte Antwort, die natürlich auch für Erheiterung 
        sorgte. Später fügte er hinzu, er werde aber noch ein paar Tage danach 
        Ausschau halten. Auf einer weiteren Runde bemerkte er, dass am Ausgang 
        nämlich sein Rollator stehe. Einmal beim Essen munkelte man, er lebe 
        tatsächlich im Altenheim und bewege sich dort mit dem Rollator fort, was 
        natürlich absurd anmutete, aber wieder einen Lacherfolg erntete. Es 
        stellte sich später als Witz raus. Tatsächlich soll er in einer 
        Einrichtung mit krebskranken Kindern leben, für die er noch als 
        Buchhalter tätig ist. Er selbst bezeichnet in einem Zeitungsinterview 
        Ultraläufer als Verrückte -, die aber niemandem etwas zuleide tun. Da 
        mag etwas Wahres dran sein.  
          
            |  Morgengrauen
 |  Im Regen kurz unterstellen
 |  In 
        einer Nacht wurde eine große 69 mit Windlichtern im Innern der Bahn 
        aufgestellt. Um Mitternacht haben wir dann alle auf der Bahn 
        innegehalten und auf Else Bayers Geburtstag angestoßen. Sie beging ihn 
        ganz bewusst während ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Ultralaufen. 
        Schon seit einigen Jahren ist Else oft im Rock beim Laufen unterwegs und 
        damit in der Szene unverwechselbar. Sie ist eine ganz Liebe, hat 
        deutsche Rekorde in der Alterklasse aufgestellt, sagte unterwegs aber 
        öfter, dass sie auch müde sei und im Grunde lieber mit ihrem Mann, der 
        sie immer unterstützte, gemütlich wandern gehen würde. In ihrem 
        unermüdlichen Laufeinsatz ist sie ein großes Vorbild für viele und will 
        ihrem Leben deshalb nicht untreu werden. Am folgenden Wochenende wollte 
        sie noch an den Deutschen Meisterschaften im 24-Stundelauf in Berlin 
        teilnehmen.  Auch 
        Barbara hatte ihr ureigenes Ziel. Sie wollte 500 km schaffen, kämpfte 
        und hat sie sogar gut überschritten. Sie ließ sich kaum von Mike oder 
        Leif behandeln, sondern kümmerte sich immer selbst ganz professionell am 
        Bahnrand unermüdlich um ihre Blasen. Auch ihr Mann, der sie zum 
        Ultralaufen gebracht hatte, unterstützte sie fast Tag und Nacht und 
        schlief oft direkt an der Bahn.  Tom, 
        ein weiterer fast 80-jähriger Brite, schien durch Hochrechnungen davon 
        bedroht, seinen vorgeschriebenen Marathon am letzten Tag nicht zu 
        schaffen. Damit wäre der Lauf insgesamt für ihn nicht gewertet worden. 
        Das wollte natürlich niemand. Auch er ging vor Anstrengung schief und 
        kam deswegen nur noch schlecht voran. Fast alle halfen wir ihm bei der 
        Bewältigung seines Marathons, indem wir ihn abwechselnd hin und wieder 
        eine Runde stützten, um ihm dadurch den Vortrieb zu erleichtern. Das 
        zeugt auch davon, wie sehr wir alle in den Tagen zusammen gewachsen sind 
        und die Veranstaltung fast wie eine kleine Familie zusammen gemeistert 
        haben. Ja, trotz des einsamen Kampfes jedes Einzelnen auf der Bahn waren 
        wir alle zusammen mit uns und den anderen zufrieden. Wir haben es alle 
        geschafft unter der extremen Belastung den Lauf gut gemeinsam 
        durchzustehen. Zwei 
        Stunden nach der Siegerehrung beim gemütlichen Zusammensitzen fiel unser 
        Blick noch einmal auf die Bahn, die wir doch eigentlich lange genug 
        kennen gelernt hatten. So einsam, wie sie dort jetzt lag, schien sie uns 
        sofort wieder fremd. Der Lauf an sich war schon wieder verflogen und so 
        wenig vorstellbar wie vorher. 6-Tageläufe kann man anscheinend nicht 
        verstehen geschweige denn vermitteln, sondern nur laufen – oder auch 
        nicht. Für 
        Uwe und mich war der Lauf natürlich besonders schön und eine gemeinsame 
        innige Erfahrung nach dem Deutschlandlauf. Wer außer uns konnte zur 
        Entspannung schon zwischendurch Händchen haltend über die Bahn 
        marschieren? Wir haben uns immer gemeinsam ausgeruht auf der Bahn, im 
        Bett und auch bei Mike und Leif und die ganze Zeit über Freud und Leid 
        geteilt. Bei Uwes Tiefpunkt, als er in der letzten Nacht das Bett nicht 
        mehr verlassen wollte, konnte ich ihm helfen. Das Ende stand doch schon 
        kurz bevor! Ein paar unfreundliche Worte meinerseits mussten herhalten, 
        für die Uwe sich aber umgehend sogar noch bedankt hat. Unser Ziel, den 
        Lauf gemeinsam zu überstehen, hat damit wunderbar geklappt. Unsere 
        Freude darüber war riesengroß und einfach schön zu sehen, was man 
        gemeinsam viel leichter bewältigen kann. Uwe konnte sogar noch seinen 
        erhofften Pokal als bleibende Erinnerung mit nach Hause nehmen. 
         Mein 
        Wunsch mich in der ewigen DUV-Bestenliste zu verewigen ist auch in 
        Erfüllung gegangen. Meine angestrebten 
        Kilometer dafür habe ich sogar relativ untrainiert erreicht. 30-40 km 
        die Woche reichen kaum für eine mittelmäßige Marathonvorbereitung.
        Daran sieht man aber, dass Ultras bei mittelmäßiger Begabung 
        hauptsächlich im Kopf entschieden werden. Und daraus resultierte wohl 
        der allerschönste Nebeneffekt des Laufes – ich hatte schon vage 
        vermutet, dass es passieren könnte, es aber als extrem unwahrscheinlich 
        abgetan – eine neue Motivation wieder zu laufen. Vielleicht sollte ich 
        einfach mal wieder auf kürzeren Strecken versuchen, was möglich ist. Von 
        der Idee mit dem extensiven Laufen aufzuhören, hat sich nach Hamm 
        relativ schnell die Idee herauskristallisiert, im nächsten Jahr an die 
        200 km heran zu laufen bei mehreren 24 Stundenlauf–Versuchen. Das gesamte Resumé wirkt jetzt sicher sehr positiv, 
        verschweigen möchte ich am Ende aber nicht, dass ein Sechstagelauf eine 
        extrem Kraft raubende Aktion für den Körper darstellt. Das ist sowieso 
        klar, aber es soll auf keinen Fall unerwähnt bleiben. So interessant, im 
        Endeffekt positiv und reich an Erfahrungen der Lauf war, weiß ich, ihn 
        in den nächsten Jahren nicht wiederholen zu müssen. Muskuläre Probleme 
        hatte ich aufgrund des geringen Tempos gar nicht, auch nichts mit den 
        Gelenken, Bändern oder Ähnlichem. Aber es stellt sich eine schleichende 
        Müdigkeit nach solchen Extremläufen ein, die man bestimmt nicht 
        unterbewerten sollte. Wenige Wochen später hatte ich auch eine 
        Nierenbeckenentzündung, die mich vollständig aus der Bahn geworfen hat. 
        Sie hat mir deutlich aufgezeigt, dass gerade, wenn wir viel von unserem 
        Körper verlangen, wir ihn auch richtig regenerieren lassen und pflegen 
        müssen.
 Grüße aus Bremen, Susanne 
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