Der Bericht
Abflug bei null Grad.
5kg-Rucksack,
mehr habe ich nicht dabei.
1) Drei-Stunden-Walking bei Vollmond durch die Millionenstadt
Es ist nach Mitternacht. Gelandet. Unbemerkt schlüpfe ich, mit meinem kleinen Rucksack
über der Schulter vorbei an der Gepäck-Kontrolle. Drinnen ist es heiß. Draußen ist es
nicht ganz so heiß aber schwül. No Taxi? No Rikshaw? No. I walk. Voller Mond, klarer
Himmel. Ich gehe los, einfach mal der Strasse nach, weg vom Airport. Flotter Walking
Schritt.
Linksverkehr. Ups! Weiter, dem lauten und chaotischen Verkehr nach. Richtung
Mumbai. Aha, Bombay heißt Mumbai. Ein erster Hauch von Räucherstäbchen, na
dieser typisch indische Duft eben, mischt sich unter die Abgase, während ich die Haupt-
und wohl einzige Verkehrsstrasse entlang ziehe. Richtung Zentrum. Ich frage, wie weit es
wäre? 10 km. Ich laufe ja bereits 1 Stunde. Mumbai, da lang. Richtig. Die gelben
dreirädrigen Rikshaws und die tausende kleiner schwarzer Taxis werden weniger. Mumbai?
Oh, veryvery far. Taxi? No Taxi. Ich möchte laufen, bin nicht müde. Meinen
Rucksack spüre ich nicht am Rücken. Viele Taxifahrer bremsen neben mir und blicken
gestikulierend. Bald nehme ich sie nicht mehr wahr. Der Mond wird langsam orange und senkt
sich. Sadid, ein netter Alter mit langem weißen Bart erlaubt mir nicht weiterzulaufen.
Business closed, sagt er und ich sitze gratis in seinem Taxi. Wenige km und
wenige Worte. Er ist nett, neugierig und es ist angenehm. Ich sage, ich hätte im Flugzeug
geschlafen, wäre nicht müde. Ich sehe, er versteht nicht. Also signalisiere ich Flugzeug
und Schlafen. Er hat es nicht verstanden, weil er mich am andern, dem nationalen Airport
absetzt. Ich erfahre: Mumbai immer noch 20 km. Oh! Kilometer und Entfernungen scheinen
hier sehr relativ zu sein. Ich laufe wieder. Noch 1 Stunde. Manche Taxis hupen neben mir.
Es scheint nur Taxis und Lastwagen zu geben. Ein junger Taxifahrer, Name mehrmals nicht
verstanden, will mich partout in seinem Taxi mitnehmen. Gratis. Ich laufe weiter und er
fährt solange neben mir bis ich doch einsteige. Er istnett, spricht zwanzig Worte mehr
Englisch als Sadid und wir schlängeln uns durch Bombay. Eine seltsame spätnächtliche
Atmosphäre, die mir gefällt. Es ist Ruhe auf dem plattgefahrenen Asphalt, keiner hupt
mehr, der Tag ist beendet. Alles wird langsamer und alles ist gut so. Der Tag ging
zufrieden und die Nacht nimmt diese Stimmung auf. Nach unzähligen Kreuzungen und
Seitenstrassen stoppt er vor dem Hotel, wo er seinen Warteplatz hat. "You Germany,
you first day here?". Ich will immer noch kein Hotel. Danke. Ist für ihn
erstaunlicherweise okay. Ich steige aus, schultere mein Gepäck und erkunde in der tiefen
Nacht wo ich bin. Eine Promenade mit Hotels, an deren Ende das größte und wie ich bald
erfahre das nobelste der Stadt ist: Taj Mahal Hotel. Leute schlafen regungslos
am Gehsteig, mit leichten Decken verhüllt. Manchmal ragt ein kleines braunes Kinderbein
raus. Viele, die da liegen. Es scheint das normalste auf der Welt zu sein. Ich bin immer
noch nicht müde. 4 Uhr. Der Mond senkt sich auf die Dächer. Der Verkehr ruht fast. Ein
Hahn kräht. Schiebkarren mit geschnürten Paketen darauf quietschen an mir vorbei. Die
Starßenhändler beziehen ihre Plätze irgendwo am Gehsteig. Langsam kommt Tageslicht. Der
Tag wird bunt. Die Sonne liegt als roter Ball zwischen den wenigen Schiffen und Booten im
Hafen. Irgendwie fühle ich mich wohl hier.
2) "Salaam Bombay
Mir ist warm, ich schwitze, habe immer eine Flasche Wasser bei mir. Als es so gegen 19:00
Uhr dunkel wird, gehe ich zum ersten Mal in Indien Joggen. Nachts und mitten durch Bombay.
Salam Bombay!, sage ich zu mir. Undeutliche Fetzen aus dem Film kommen in
meinen Kopf. Straßenkinder, kleine Gläser mit Tee über die Strasse getragen,
Menschenmengen, Gewimmel auf jeder Strasse. Wohin könnte ich laufen? Mal immer den Autos
nach. Sie fahren langsam. Der Verkehr ist laufgeeignet und friedlich zockelnd. Ich sehe
viele Slums. Manchmal laufe ich zwischen den Autos, 4-spurig, dann 3-spurig. Als wäre ich
eines der Fahrräder. Nur Achtung an der riesigen Kreuzung! Und Achtung Linksverkehr! Ich
laufe vorbei am Strand. Kaum Leute die da flanieren. Indische Autos haben keine
Seitenspiegel. Aber eine piepsende Dauerhupe! Der Verkehr erscheint mir nicht besonders
laut. Hügel rauf. Ich erkenne die Hanging Gardens und erinnere mich an einige andere
Punkte der gestrigen Stadtrundfahrt, als ich vorbeitrabe. Es ist nicht zu warm. Ich laufe
sehr gelassen, manchmal an sich stauenden Autos vorbei. Es scheint als würden mir zwei
Tage Akklimatisieren genügen. Ich bemerke keine Zurufe oder Pfiffe oder so was. Inder
sind gelassen und tolerant. Der Mond ist orange und knallrund. Mit oder gegen den Verkehr
laufen ist gleich gut. Inder rechnen immer mit allem. Ich laufe zwischen Radfahrern,
meistens am Rand der Strasse, manchmal auf dem Gehsteig. Von oben auf dem Hügel habe ich
einen fantastischen Panoramablick über die Nacht-Silhouette der Bucht und Stadt. An der
Strandpromenade stehen große beleuchtete Werbetafeln auf den Dächern der 20stöckigen
Hochhäuser. Eines neben dem anderen. ich laufe und erlebe Bombay. Salaam Bombay!
3) Sechs-Stunden Moon-Walk zum Strand
Ich erreiche Goa und verlasse den Zug. 22:00 Uhr. Es passt mir gerade gut, und ich
beschließe durch die Nacht zum Strand zu walken. Wo lang? Und wie weit ist es? 10 km. 10
indische km? Zuerst schickt man mich 1 Stunde in die falsche Richtung. Missverständnis
oder Absicht? Egal, der weiße Mond scheint herrlich auf mich, leuchtet genau über mir.
Ich laufe weiter. Der Himmel ist seit meiner Ankunft vor Tagen wolkenlos. Viele Raben
hier. Ich laufe weiter. 5 Stunden. Hunderte bellender und heulender Hunde sind am Weg.
Durchs wilde Hundistan, falls ich je darüber schreiben würde. Ab und zu muss
ich den frechen Kötern drohen, meinen Arm heben, damit sie es lassen mir zu folgen.
Irgendwo steht ein Elefant mitten in der Nacht, fast schattengleich auf einem Feld. Ich
muss dreimal hinsehen. Doch, ja, ein Elefant! Mit dem hatte ich nicht gerechnet. Ich habe
langsam Durst, kaufe mir eine Flasche Wasser. Mitten in der Nacht. In Indien ist das ganz
leicht: Ich wecke den Besitzer der Bude in der er am Boden schläft, Türe ist offen,
Licht brennt. Wie gut sowas! Meine Füße schmerzen ein wenig. Endlich da: Anjuna Beach.
Es ist 4:00 Uhr. Und vor mir liegt ein sanft plätschernder weiter Strand. Doch zu einem
Strandspaziergang habe ich gerade keine Lust. Ich setze mich also auf einen Stein, lausche
den Wellen.
4) Goa, die "Touri-Tour"
Ich jogge durch Vagator, dem Goa-Touristenfleck schlechthin. 19:00 Uhr. Die Strasse ist
voller junger Leute. Viele Stände, knatternde Mopeds, Läden und Restaurants. Ich laufe
kurz an dessen Nachtstrand vorbei und weiter nach Chapora, dem Nachbarort. Immer aufpassen
welcher Weg und wohin. Und Gehirn: bitte erinnere Dich! Für den Rückweg. Ich laufe
bestimmt 20km. Ist hügelig. Und ich gebe zu, ich laufe ein paar Wege, die ich nicht will.
Naja, ist ja auch etwas dunkel und ich verwechsle Strassenzüge. Als ich fast zurück bin
taucht der orangene Mond auf. Spektakulär erleuchtet er die Gegend. Ich beschließe: so,
es ist genug gelaufen! Nach dem Duschen - ah! dehne ich, "Rosa B."
(www.team-bittel.de/team/rosa_b/images/rosab_r1s.jpg) vor den Leuten meiner Unterkunft.
Kleines Haus. Die Leute schauen nicht interessiert, denke ich mir. Sie schauen eigentlich
gar nicht. Nirgendwohin. Wie ungewohnt. Und angenehm. Ich trinke 2 Flascehn Wasser und
lege mich zum Lesen und den Tag wirken lassen unter den gemächlich wehenden Ventilator
über dem Bett.
5) Goa: Durch die Abendsonne
Ich versuche nicht ins Dunkel zu laufen heute, obwohl Laufen nachts wirklich gut geht in
Indien, kein Verkehr ist und die Strassen geeignet sind zum Joggen. Tagsüber ist es bei
40 Grad zu heiß zum Joggen. Anfangs schwitze ich auch sehr in der Abendsonne, aber es
wird langsam besser, als die Sonne geht. Es ist nur wenig Verkehr. Und alle fahren
vorsichtig und fast kriechend. Ich laufe und sehe in Ruhe dem immer bunter werdenden
Sonnenuntergang nach. Durch Baga nach Calangute. Badeorte für Rucksack-Reisende, meistens
junge Leute. Echt schöne Strände. Und ewig weit und breit. Jetzt ist die Strasse etwas
holprig. Ich komme an einem prächtig mit vielen Blumengirlanden geschmückten
Hindu-Tempel vorbei. Bleibe eine Weile stehen und sehe mir das kleine Wunder genüsslich
an, setze mich kurz auf eine Mauer. Indien macht mich so ruhig.
6) Pondicherry: Matrimondir-Lauf
Ich bin in Pondycherry, der Hafenstadt an der Ostküste, laufe an der Strandpromenade,
vorbei am großen Gandhi Monument. Sie verehren ihn sehr. Eine kleine Bühne auf der ein
Theaterstück spielt. Morgen ist Nationalfeiertag. Anfangs, stadtauswärts laufe ich eine
halbe Stunde zwischen Mofas und Rädern. Ein bisschen Lärm, gut, doch sehr schnell werden
es immer weniger, je weiter ich aus der Stadt herauskomme. Ich laufe gut atme leicht. Es
ist mir nicht zu warm. Ich laufe ins Dunkel, doch fast immer ist die Strasse etwas
beleuchtet. Immer gen Norden am Strand entlang. Mir geht den ganzen Lauf die Kraft der
Begegnung nach mit dem Tempel der Meditation, der riesigen goldenen Kugel
"Matrimondir". Ein gigantisches Bauwerk. Tiefe ruhige Meditation die ich heute
dort hatte. Kontakt mit dem Universum. Ruhe. Gänsehaut. Als ich in die Stadt zurückkomme
ist es 22:45 Uhr und es sind kaum mehr Leute übrig vom Getümmel. Ein richtig erholsamer
Lauf über 2 Stunden. Vor dem Hotel lachen ein paar junge Männer über meine
Gymnastikübungen an der Strandpromenade. Es weht erfrischender Wind vom Meer her. Ich
sitze auf der Mauer und lasse die Füße baumeln. Eine herrliche ruhige Nachtszenerie. Ich
blicke aufs Nachtmeer und lasse meine Gedanken vom leisen Wellenrauschen mit auf die Reise
nehmen.
7) Tiruvanamalai: der Allee-Lauf
Im Landesinneren, 100km landeinwärts von der Ostküste. Tiruvanamalai, eine Stadt. Ich
laufe aus dem Zentrum heraus, Richtung Pondicherry. Die Strasse ist gut. Kaum mal ein Auto
zu sehen. Bäume links und rechts, die ganze Zeit. Eine richtig schöne regelmäßige
Allee. Und sehr lang. Anfangs höre ich einige Rufe Vai. Ich denke mir was das
wohl heißt? Auf Indisch heißt es nichts, wie ich später erfahre. Es heißt
why?. Einige Kinder versuchen mit mir zu laufen. Schaffen es nicht. Zwei Jungs
auf einem Rad begleiten mich ein Stück, fahren neben mir, biegen aber bald ab. Fast keine
Hunde. Welch eine Wohltat im wilden Hundistan! Es kann auch sein, dass ich sie nicht mehr
wahrnehme. Als ich heim komme kaufe ich mir auf der Strasse eine Ananas und Trauben, das
einzige was ich noch bekomme, bevor alle Stände gegen 23:00 Uhr eingepackt haben. Oh,
welches Paradies! Das Obst schmeckt so gut. Besonders nach dem Laufen!
8) Tiruvanamalai: Blick in den grandiosen Sternenhimmel
Am besten ist es die letzte Stunde vor dem Dunkelwerden zu laufen. Das tue ich heute. Gut,
es wird auch heute länger als gedacht, ich laufe in die Dunkelheit. Wieder einmal. Es
macht mir Spaß in die Nacht zu traben. Wie es langsam kühler wird, so wird auch das
Laufen immer leichter. 8) Tiruvanamalai: Blick in den grandiosen Sternenhimmel
Drei Strassen führen aus Tiruvanamalai. Heute folge ich der zweiten. Kann meinen Blick
heute kaum vom Sternenhimmel auf die Strasse bringen, so genial klar leuchten die Sterne.
Ich vergesse fast, dass ich laufe. Ich lese in den Sternen. Wenn ich nur beser darin lesen
könnte. Kleine helle Punkte. Milchstrasse, ein leuchtender Teppich. Und langsam nähere
ich mich wieder den Lichtern der Stadt. Jetzt kommen auch meine Sinne langsam wieder
zurück: ich habe Durst! Hey, da war doch noch eine Ananas in meinem Hotelzimmer. Oh, wie
ich sie genießen werde! Und die Dusche. Aaaah! Laufen unter den Sternen ist grandios.
Vielleicht bin ich wirklich der einzige in diesem weiten Land, der läuft? Es ist mir ein
paar Gedanken wert, während ich mit der zweiten Hälfte der süßen Ananas auf der
Dachterrasse sitze. Und wieder in die Sterne gucke.
9) Tiruvanamalai: Low-Energy-Floating um den heiligen Berg
Ich will heute um den Berg laufen. Es ist ein magischer Platz hier. Ich laufe ein paar km
der Strasse nach. Der dritte Weg stadtauswärts. Dann biege ich ab auf den gut geteerten
Pilgerweg rund um den Heiligen Berg Arunachala. Der Nachthimmel ist dunkel und klar. Immer
wechselt die Berg-Silhouette zu meiner rechten ihre Form, doch der Berg bleibt gleich,
behält seine Ausstrahlung auf mich. Ich spüre sie deutlich. Es ist niemand unterwegs.
Die Strasse ist gut beleuchtet. Laufen ist Meditieren: fast berühre ich den Boden nicht.
Ein heiliger Mann am Strassenrand bereitet sich zum Schlafen vor. Wir grüßen uns im
Vorbeitrotten. Unsere Blicke kreuzen sich kurz. Ein unmerkliches Kopfnicken und er hebt
betend die Hände.
10) Tiruvanamalai: Räucherstäbchen und Roller
Heute will ich ganz locker zweimal um den heiligen Berg laufen. So jogge ich gemächlich
los. Anfangs habe ich ein Stück weit lästige Begleitung eines Radfahrers, der mich nicht
zur Ruhe kommen lässt, immer eng, direkt neben mir radelt. Heute sind viele Leute
unterwegs. Inder und Westlinge. Einige Inder laufen mit Räucherstäbchen. Es ist
windstill. Wie das gut riecht, typisch nach Indien. Ich mag den Duft! Und besonders jetzt
beim Laufen. Immer wieder weht eine kleine Note Duft in meine Nase. Ich treffe wieder auf
die, die um den Arunachala rollen: 10 junge Leute in Begleitung. Ihre Begleiter raunen
monoton "Om Nama Shivaja" und halten Fackeln. Die 10 rollen sich seitlich auf
dem Asphalt, Hände über den Kopf ausgestreckt, rollen und rollen. Ich habe sie gestern
schon gesehen. Einige km zurück von hier. Es gibt schon ungewöhnliche Arten den Berg zu
umpilgern. Naja, für die ist meine vielleicht auch außergewöhnlich. Ich schwebe weiter.
Um 00:30 Uhr bin ich wieder in meiner mittlerweile gewechselten Unterkunft. Ich wählte
eine magere Pension. Scheint mir passender als ein Hotel. Ich trinke eine Flasche Wasser
mit frisch hineingeprester Limette und gehe auslaufend die leere Strasse entlang, die
Stille der Nacht genießen.
11) Varkala: Lauf der Pilger
Tausend km in Zug und Bus und wieder Zug gereist. Varkala, ein alter hinduistischer
Pilgerort mit einem kleinen Shiva Tempel. Jeden Tag steigen hier vielleicht zwanzig Leute
aus, werden mit einer Zeremonie am kleinen Bahnhof empfangen. Ich gehe respektvoll
unauffällig vorbei mit meinem Rucksack. Meist sind es alte Inder mit weißen Bärten. Es
ist besonders heiß hier. Ich laufe Richtung Strand und weile am Teich nahe des Tempels.
Ich blicke auf das Spiegeln des Wassers. Trinken. Für den Strand ist es mir zu heiß. Ich
suche später ein kleines Zimmer und erwarte den Abend. Nach Schlendern am weißen Strand
und zu den steilen roten Felsklippen fülle ich meine Lauf-Fläschchen und beginne den Ort
zu erkunden. Laufend. Er ist nicht groß. Nacht. Mein Bauch ist noch voll, ich kehre
lieber etwas außerhalb des Ortes um und belasse es heute bei einer guten Stunde Joggen.
Etwas träge bin ich außerdem, müde. Und es ist auch wirklich besonders warm. Die
Strassen sind völlig leer. Ich bin der einzige. Halt: etliche Hunde. Ha, da seid ihr
wieder! Na, wäre doch auch zu schön gewesen...
12) Varkala: ruhige Züge ziehen wie ich durchs Land
Der Tag mit viel Sonne und Chai im schattigen Bistro ist vorbei. Die Luft ist so warm,
dass ich meine Haut nicht spüre. Es ist Ebbe. Ich kann bequem am Strand laufen, an den
Felsen vorbei ohne nass zu werden. Duschen und loslaufen. Heute suche ich mir den Weg in
die andere Richtung aus der Stadt. Etliche Hundebanden sammeln sich und verteidigen die
einsamen Strassen gegen mich. Manchmal laufen sie mir vor die Beine, so nah. Ich
beschließe sie auszublenden, mögen sie doch kläffen ohne mich. Es geht steil auf und ab
bis ich aus der Stadt bin. Ganz schön hügelig, und bleibt weiter so. Bahnübergang.
Vorbei zieht einer dieser beruhigend schnaufenden langen indischen Trains. Ich schaue zu.
Dann weiter. Enge Strassen, unebener Asphalt, und vollkommen dunkel. Eine sehr dunkle
Nacht. Ich laufe vorsichtig und noch langsamer. Aber ein good run. Ich sehe streckenweise
überhaupt nichts, denn es ist auch noch Stromausfall. Keine der vereinzelt irgendwo
funzelnden Straßenlampen geht. Kein Fenster leuchtet. Kein Auto, keine Räder, keine
Menschen. Ich bleibe ab und zu stehen, sehe zu den Sternen, frage mich wo wohl heute der
Mond ist, trinke einen Schluck. Irgendwann kehre ich um, laufe den leicht zu findenden Weg
zurück. Stehe wieder am Bahnübergang. Ich atme ruhig und schaue zu. Zwei vorbei ziehende
ruhige Riesenschlangen. Sie ziehen wie ich durch das Land.
13) Kollam: Laufen durch Kanäle
Die warme Abendsonne ist gegangen, ich dusche und bereite meine Laufsachen vor. Dehnen wie
immer, noch ein Schluck indisches Mineralwasser, das ich mittlerweile zu gut kenne. Laufe
locker und easy aus der Stadt, über Brücken und vorbei an den bekannten Kanälen dieser
Gegend. Laufe auf der prima breiten Strasse. Ich weiß nicht wohin sie führt. Egal. Immer
gut beleuchtet. Mir begegnen vereinzelt Busse und Lkws. Und kein Hund. Schwitze, aber
laufe federleicht. Es ist 22:30 Uhr. Noch eine weite Brücke über einen Seitenkanal. Ich
sehe Leute von den Hausbooten mir zuschauen. Es riecht hier etwas nach altem Fisch. Der
Verkehr wird immer weniger. Kein Hupen. Ist das ein Highway? Immer noch warm aber
erträglicher. Ich schweife mit meinen Gedanken auf den Kanälen, vorbei an den wirklich
spektakulären Hausbooten, Fischernetzen, Kanus, und Kindern auf den Mauern. Gestern war
ich einen beruhigenden Tag lang auf einer Boot-Tour durch die Backwaters.
Heute laufe ich hier. So schnell sind 2 Stunden vergangen und schon bin ich wieder
zurück.
14) Poona: Vollmond-Meditations-Lauf
Einer der Läufe ist noch erwähnenswert: Laufen durch die große und Industriestadt
Poona. 5 Millionen - naja, für Indien nichts besonderes. Poona ist staubig, voller
Verkehr, die Abgase ziehen in meine Nase. Ich trabe durch riesige Viertel mit sehr einfach
zusammengebauten Bretterhütten, Wellblechdächern und einem nie endenden Gewimmel auf der
Strasse. Auch nachts nicht. Gemüse liegt auf der Strasse, zermalmtes Zuckerrohr. Ein
Lastwagen rattert im Schleichgang voll mit Erde beladen durch die Leute. Die kümmert das
nicht besonders. Den übervollen Stadtbus überhole ich immer wieder. Die Strassen sind
dunkel, eng und uneben. Zum Glück aber meistens geteert. Ich schlängele mich mit den
Radfahrern, weiche Pferdekarren aus, passiere Rikshaws. Ich treibe im Verkehr.
Dann ist da die andere Seite Poonas. Ich verbringe hier lange Tage der Meditation und
Besinnung. Ich bin so ruhig. Ein besonders spiritueller Ort mit viel Energie. Es gibt
Inseln der Ruhe und des Friedens, ein wunderschöner Park. Viele Westlinge treffen sich
hier. Meditationen aller Arten. Wochenlang. Es ist wieder Vollmond. Hier noch intensiver,
noch größer, noch orangefarbener als anderswo. Ich spüre seine Anziehungskraft, er hebt
mich förmlich hoch. Während ich im Strom treibe, trottend, heben meine GEdanken und
meine Seele ab. Vergesse das laute Poona. Genieße den Frieden. Und die Papaya nach dem
Duschen!
Erwin vom "Team Bittel"
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