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Letzte Änderung: 16.05.2013

Team Bittel Indien 2003 Team Bittel
  
Erwin

Laufen quer durch Indien - Durch's wilde Hundistan!

Teil I: Bombay - Goa - Pondycherry
Teil II: Varkala - Kollam - Poona
Ein Läufer in Indien ist wie ein weißer Elefant - äußerst selten!
Doch es geht...

 

Der Bericht


Abflug bei null Grad.
5kg-Rucksack,
mehr habe ich nicht dabei.



1) Drei-Stunden-Walking bei Vollmond durch die Millionenstadt


Es ist nach Mitternacht. Gelandet. Unbemerkt schlüpfe ich, mit meinem kleinen Rucksack über der Schulter vorbei an der Gepäck-Kontrolle. Drinnen ist es heiß. Draußen ist es nicht ganz so heiß aber schwül. No Taxi? No Rikshaw? No. I walk. Voller Mond, klarer Himmel. Ich gehe los, einfach mal der Strasse nach, weg vom Airport. Flotter Walking Schritt.

Linksverkehr. Ups! Weiter, dem lauten und chaotischen Verkehr nach. Richtung „Mumbai“. Aha, Bombay heißt Mumbai. Ein erster Hauch von Räucherstäbchen, na dieser typisch indische Duft eben, mischt sich unter die Abgase, während ich die Haupt- und wohl einzige Verkehrsstrasse entlang ziehe. Richtung Zentrum. Ich frage, wie weit es wäre? 10 km. Ich laufe ja bereits 1 Stunde. Mumbai, da lang. Richtig. Die gelben dreirädrigen Rikshaws und die tausende kleiner schwarzer Taxis werden weniger. Mumbai? „Oh, veryvery far“. Taxi? No Taxi. Ich möchte laufen, bin nicht müde. Meinen Rucksack spüre ich nicht am Rücken. Viele Taxifahrer bremsen neben mir und blicken gestikulierend. Bald nehme ich sie nicht mehr wahr. Der Mond wird langsam orange und senkt sich. Sadid, ein netter Alter mit langem weißen Bart erlaubt mir nicht weiterzulaufen. „Business closed”, sagt er und ich sitze gratis in seinem Taxi. Wenige km und wenige Worte. Er ist nett, neugierig und es ist angenehm. Ich sage, ich hätte im Flugzeug geschlafen, wäre nicht müde. Ich sehe, er versteht nicht. Also signalisiere ich Flugzeug und Schlafen. Er hat es nicht verstanden, weil er mich am andern, dem nationalen Airport absetzt. Ich erfahre: Mumbai immer noch 20 km. Oh! Kilometer und Entfernungen scheinen hier sehr relativ zu sein. Ich laufe wieder. Noch 1 Stunde. Manche Taxis hupen neben mir. Es scheint nur Taxis und Lastwagen zu geben. Ein junger Taxifahrer, Name mehrmals nicht verstanden, will mich partout in seinem Taxi mitnehmen. Gratis. Ich laufe weiter und er fährt solange neben mir bis ich doch einsteige. Er istnett, spricht zwanzig Worte mehr Englisch als Sadid und wir schlängeln uns durch Bombay. Eine seltsame spätnächtliche Atmosphäre, die mir gefällt. Es ist Ruhe auf dem plattgefahrenen Asphalt, keiner hupt mehr, der Tag ist beendet. Alles wird langsamer und alles ist gut so. Der Tag ging zufrieden und die Nacht nimmt diese Stimmung auf. Nach unzähligen Kreuzungen und Seitenstrassen stoppt er vor dem Hotel, wo er seinen Warteplatz hat. "You Germany, you first day here?". Ich will immer noch kein Hotel. Danke. Ist für ihn erstaunlicherweise okay. Ich steige aus, schultere mein Gepäck und erkunde in der tiefen Nacht wo ich bin. Eine Promenade mit Hotels, an deren Ende das größte und wie ich bald erfahre das nobelste der Stadt ist: „Taj Mahal Hotel“. Leute schlafen regungslos am Gehsteig, mit leichten Decken verhüllt. Manchmal ragt ein kleines braunes Kinderbein raus. Viele, die da liegen. Es scheint das normalste auf der Welt zu sein. Ich bin immer noch nicht müde. 4 Uhr. Der Mond senkt sich auf die Dächer. Der Verkehr ruht fast. Ein Hahn kräht. Schiebkarren mit geschnürten Paketen darauf quietschen an mir vorbei. Die Starßenhändler beziehen ihre Plätze irgendwo am Gehsteig. Langsam kommt Tageslicht. Der Tag wird bunt. Die Sonne liegt als roter Ball zwischen den wenigen Schiffen und Booten im Hafen. Irgendwie fühle ich mich wohl hier.


2) "Salaam Bombay“


Mir ist warm, ich schwitze, habe immer eine Flasche Wasser bei mir. Als es so gegen 19:00 Uhr dunkel wird, gehe ich zum ersten Mal in Indien Joggen. Nachts und mitten durch Bombay. „Salam Bombay!“, sage ich zu mir. Undeutliche Fetzen aus dem Film kommen in meinen Kopf. Straßenkinder, kleine Gläser mit Tee über die Strasse getragen, Menschenmengen, Gewimmel auf jeder Strasse. Wohin könnte ich laufen? Mal immer den Autos nach. Sie fahren langsam. Der Verkehr ist laufgeeignet und friedlich zockelnd. Ich sehe viele Slums. Manchmal laufe ich zwischen den Autos, 4-spurig, dann 3-spurig. Als wäre ich eines der Fahrräder. Nur Achtung an der riesigen Kreuzung! Und Achtung Linksverkehr! Ich laufe vorbei am Strand. Kaum Leute die da flanieren. Indische Autos haben keine Seitenspiegel. Aber eine piepsende Dauerhupe! Der Verkehr erscheint mir nicht besonders laut. Hügel rauf. Ich erkenne die Hanging Gardens und erinnere mich an einige andere Punkte der gestrigen Stadtrundfahrt, als ich vorbeitrabe. Es ist nicht zu warm. Ich laufe sehr gelassen, manchmal an sich stauenden Autos vorbei. Es scheint als würden mir zwei Tage Akklimatisieren genügen. Ich bemerke keine Zurufe oder Pfiffe oder so was. Inder sind gelassen und tolerant. Der Mond ist orange und knallrund. Mit oder gegen den Verkehr laufen ist gleich gut. Inder rechnen immer mit allem. Ich laufe zwischen Radfahrern, meistens am Rand der Strasse, manchmal auf dem Gehsteig. Von oben auf dem Hügel habe ich einen fantastischen Panoramablick über die Nacht-Silhouette der Bucht und Stadt. An der Strandpromenade stehen große beleuchtete Werbetafeln auf den Dächern der 20stöckigen Hochhäuser. Eines neben dem anderen. ich laufe und erlebe Bombay. Salaam Bombay!


3) Sechs-Stunden Moon-Walk zum Strand


Ich erreiche Goa und verlasse den Zug. 22:00 Uhr. Es passt mir gerade gut, und ich beschließe durch die Nacht zum Strand zu walken. Wo lang? Und wie weit ist es? 10 km. 10 indische km? Zuerst schickt man mich 1 Stunde in die falsche Richtung. Missverständnis oder Absicht? Egal, der weiße Mond scheint herrlich auf mich, leuchtet genau über mir. Ich laufe weiter. Der Himmel ist seit meiner Ankunft vor Tagen wolkenlos. Viele Raben hier. Ich laufe weiter. 5 Stunden. Hunderte bellender und heulender Hunde sind am Weg. „Durchs wilde Hundistan“, falls ich je darüber schreiben würde. Ab und zu muss ich den frechen Kötern drohen, meinen Arm heben, damit sie es lassen mir zu folgen. Irgendwo steht ein Elefant mitten in der Nacht, fast schattengleich auf einem Feld. Ich muss dreimal hinsehen. Doch, ja, ein Elefant! Mit dem hatte ich nicht gerechnet. Ich habe langsam Durst, kaufe mir eine Flasche Wasser. Mitten in der Nacht. In Indien ist das ganz leicht: Ich wecke den Besitzer der Bude in der er am Boden schläft, Türe ist offen, Licht brennt. Wie gut sowas! Meine Füße schmerzen ein wenig. Endlich da: Anjuna Beach. Es ist 4:00 Uhr. Und vor mir liegt ein sanft plätschernder weiter Strand. Doch zu einem Strandspaziergang habe ich gerade keine Lust. Ich setze mich also auf einen Stein, lausche den Wellen.


4) Goa, die "Touri-Tour"


Ich jogge durch Vagator, dem Goa-Touristenfleck schlechthin. 19:00 Uhr. Die Strasse ist voller junger Leute. Viele Stände, knatternde Mopeds, Läden und Restaurants. Ich laufe kurz an dessen Nachtstrand vorbei und weiter nach Chapora, dem Nachbarort. Immer aufpassen welcher Weg und wohin. Und Gehirn: bitte erinnere Dich! Für den Rückweg. Ich laufe bestimmt 20km. Ist hügelig. Und ich gebe zu, ich laufe ein paar Wege, die ich nicht will. Naja, ist ja auch etwas dunkel und ich verwechsle Strassenzüge. Als ich fast zurück bin taucht der orangene Mond auf. Spektakulär erleuchtet er die Gegend. Ich beschließe: so, es ist genug gelaufen! Nach dem Duschen - ah! – dehne ich, "Rosa B." (www.team-bittel.de/team/rosa_b/images/rosab_r1s.jpg) vor den Leuten meiner Unterkunft. Kleines Haus. Die Leute schauen nicht interessiert, denke ich mir. Sie schauen eigentlich gar nicht. Nirgendwohin. Wie ungewohnt. Und angenehm. Ich trinke 2 Flascehn Wasser und lege mich zum Lesen und den Tag wirken lassen unter den gemächlich wehenden Ventilator über dem Bett.


5) Goa: Durch die Abendsonne


Ich versuche nicht ins Dunkel zu laufen heute, obwohl Laufen nachts wirklich gut geht in Indien, kein Verkehr ist und die Strassen geeignet sind zum Joggen. Tagsüber ist es bei 40 Grad zu heiß zum Joggen. Anfangs schwitze ich auch sehr in der Abendsonne, aber es wird langsam besser, als die Sonne geht. Es ist nur wenig Verkehr. Und alle fahren vorsichtig und fast kriechend. Ich laufe und sehe in Ruhe dem immer bunter werdenden Sonnenuntergang nach. Durch Baga nach Calangute. Badeorte für Rucksack-Reisende, meistens junge Leute. Echt schöne Strände. Und ewig weit und breit. Jetzt ist die Strasse etwas holprig. Ich komme an einem prächtig mit vielen Blumengirlanden geschmückten Hindu-Tempel vorbei. Bleibe eine Weile stehen und sehe mir das kleine Wunder genüsslich an, setze mich kurz auf eine Mauer. Indien macht mich so ruhig.


6) Pondicherry: Matrimondir-Lauf


Ich bin in Pondycherry, der Hafenstadt an der Ostküste, laufe an der Strandpromenade, vorbei am großen Gandhi Monument. Sie verehren ihn sehr. Eine kleine Bühne auf der ein Theaterstück spielt. Morgen ist Nationalfeiertag. Anfangs, stadtauswärts laufe ich eine halbe Stunde zwischen Mofas und Rädern. Ein bisschen Lärm, gut, doch sehr schnell werden es immer weniger, je weiter ich aus der Stadt herauskomme. Ich laufe gut atme leicht. Es ist mir nicht zu warm. Ich laufe ins Dunkel, doch fast immer ist die Strasse etwas beleuchtet. Immer gen Norden am Strand entlang. Mir geht den ganzen Lauf die Kraft der Begegnung nach mit dem Tempel der Meditation, der riesigen goldenen Kugel "Matrimondir". Ein gigantisches Bauwerk. Tiefe ruhige Meditation die ich heute dort hatte. Kontakt mit dem Universum. Ruhe. Gänsehaut. Als ich in die Stadt zurückkomme ist es 22:45 Uhr und es sind kaum mehr Leute übrig vom Getümmel. Ein richtig erholsamer Lauf über 2 Stunden. Vor dem Hotel lachen ein paar junge Männer über meine Gymnastikübungen an der Strandpromenade. Es weht erfrischender Wind vom Meer her. Ich sitze auf der Mauer und lasse die Füße baumeln. Eine herrliche ruhige Nachtszenerie. Ich blicke aufs Nachtmeer und lasse meine Gedanken vom leisen Wellenrauschen mit auf die Reise nehmen.


7) Tiruvanamalai: der Allee-Lauf


Im Landesinneren, 100km landeinwärts von der Ostküste. Tiruvanamalai, eine Stadt. Ich laufe aus dem Zentrum heraus, Richtung Pondicherry. Die Strasse ist gut. Kaum mal ein Auto zu sehen. Bäume links und rechts, die ganze Zeit. Eine richtig schöne regelmäßige Allee. Und sehr lang. Anfangs höre ich einige Rufe „Vai“. Ich denke mir was das wohl heißt? Auf Indisch heißt es nichts, wie ich später erfahre. Es heißt „why?“. Einige Kinder versuchen mit mir zu laufen. Schaffen es nicht. Zwei Jungs auf einem Rad begleiten mich ein Stück, fahren neben mir, biegen aber bald ab. Fast keine Hunde. Welch eine Wohltat im wilden Hundistan! Es kann auch sein, dass ich sie nicht mehr wahrnehme. Als ich heim komme kaufe ich mir auf der Strasse eine Ananas und Trauben, das einzige was ich noch bekomme, bevor alle Stände gegen 23:00 Uhr eingepackt haben. Oh, welches Paradies! Das Obst schmeckt so gut. Besonders nach dem Laufen!


8) Tiruvanamalai: Blick in den grandiosen Sternenhimmel


Am besten ist es die letzte Stunde vor dem Dunkelwerden zu laufen. Das tue ich heute. Gut, es wird auch heute länger als gedacht, ich laufe in die Dunkelheit. Wieder einmal. Es macht mir Spaß in die Nacht zu traben. Wie es langsam kühler wird, so wird auch das Laufen immer leichter. 8) Tiruvanamalai: Blick in den grandiosen Sternenhimmel

Drei Strassen führen aus Tiruvanamalai. Heute folge ich der zweiten. Kann meinen Blick heute kaum vom Sternenhimmel auf die Strasse bringen, so genial klar leuchten die Sterne. Ich vergesse fast, dass ich laufe. Ich lese in den Sternen. Wenn ich nur beser darin lesen könnte. Kleine helle Punkte. Milchstrasse, ein leuchtender Teppich. Und langsam nähere ich mich wieder den Lichtern der Stadt. Jetzt kommen auch meine Sinne langsam wieder zurück: ich habe Durst! Hey, da war doch noch eine Ananas in meinem Hotelzimmer. Oh, wie ich sie genießen werde! Und die Dusche. Aaaah! Laufen unter den Sternen ist grandios. Vielleicht bin ich wirklich der einzige in diesem weiten Land, der läuft? Es ist mir ein paar Gedanken wert, während ich mit der zweiten Hälfte der süßen Ananas auf der Dachterrasse sitze. Und wieder in die Sterne gucke.



9) Tiruvanamalai: Low-Energy-Floating um den heiligen Berg


Ich will heute um den Berg laufen. Es ist ein magischer Platz hier. Ich laufe ein paar km der Strasse nach. Der dritte Weg stadtauswärts. Dann biege ich ab auf den gut geteerten Pilgerweg rund um den Heiligen Berg Arunachala. Der Nachthimmel ist dunkel und klar. Immer wechselt die Berg-Silhouette zu meiner rechten ihre Form, doch der Berg bleibt gleich, behält seine Ausstrahlung auf mich. Ich spüre sie deutlich. Es ist niemand unterwegs. Die Strasse ist gut beleuchtet. Laufen ist Meditieren: fast berühre ich den Boden nicht. Ein heiliger Mann am Strassenrand bereitet sich zum Schlafen vor. Wir grüßen uns im Vorbeitrotten. Unsere Blicke kreuzen sich kurz. Ein unmerkliches Kopfnicken und er hebt betend die Hände.


10) Tiruvanamalai: Räucherstäbchen und „Roller“


Heute will ich ganz locker zweimal um den heiligen Berg laufen. So jogge ich gemächlich los. Anfangs habe ich ein Stück weit lästige Begleitung eines Radfahrers, der mich nicht zur Ruhe kommen lässt, immer eng, direkt neben mir radelt. Heute sind viele Leute unterwegs. Inder und Westlinge. Einige Inder laufen mit Räucherstäbchen. Es ist windstill. Wie das gut riecht, typisch nach Indien. Ich mag den Duft! Und besonders jetzt beim Laufen. Immer wieder weht eine kleine Note Duft in meine Nase. Ich treffe wieder auf die, die um den Arunachala rollen: 10 junge Leute in Begleitung. Ihre Begleiter raunen monoton "Om Nama Shivaja" und halten Fackeln. Die 10 rollen sich seitlich auf dem Asphalt, Hände über den Kopf ausgestreckt, rollen und rollen. Ich habe sie gestern schon gesehen. Einige km zurück von hier. Es gibt schon ungewöhnliche Arten den Berg zu umpilgern. Naja, für die ist meine vielleicht auch außergewöhnlich. Ich schwebe weiter. Um 00:30 Uhr bin ich wieder in meiner mittlerweile gewechselten Unterkunft. Ich wählte eine magere Pension. Scheint mir passender als ein Hotel. Ich trinke eine Flasche Wasser mit frisch hineingeprester Limette und gehe auslaufend die leere Strasse entlang, die Stille der Nacht genießen.


11) Varkala: Lauf der Pilger


Tausend km in Zug und Bus und wieder Zug gereist. Varkala, ein alter hinduistischer Pilgerort mit einem kleinen Shiva Tempel. Jeden Tag steigen hier vielleicht zwanzig Leute aus, werden mit einer Zeremonie am kleinen Bahnhof empfangen. Ich gehe respektvoll unauffällig vorbei mit meinem Rucksack. Meist sind es alte Inder mit weißen Bärten. Es ist besonders heiß hier. Ich laufe Richtung Strand und weile am Teich nahe des Tempels. Ich blicke auf das Spiegeln des Wassers. Trinken. Für den Strand ist es mir zu heiß. Ich suche später ein kleines Zimmer und erwarte den Abend. Nach Schlendern am weißen Strand und zu den steilen roten Felsklippen fülle ich meine Lauf-Fläschchen und beginne den Ort zu erkunden. Laufend. Er ist nicht groß. Nacht. Mein Bauch ist noch voll, ich kehre lieber etwas außerhalb des Ortes um und belasse es heute bei einer guten Stunde Joggen. Etwas träge bin ich außerdem, müde. Und es ist auch wirklich besonders warm. Die Strassen sind völlig leer. Ich bin der einzige. Halt: etliche Hunde. Ha, da seid ihr wieder! Na, wäre doch auch zu schön gewesen...


12) Varkala: ruhige Züge ziehen wie ich durchs Land


Der Tag mit viel Sonne und Chai im schattigen Bistro ist vorbei. Die Luft ist so warm, dass ich meine Haut nicht spüre. Es ist Ebbe. Ich kann bequem am Strand laufen, an den Felsen vorbei ohne nass zu werden. Duschen und loslaufen. Heute suche ich mir den Weg in die andere Richtung aus der Stadt. Etliche Hundebanden sammeln sich und verteidigen die einsamen Strassen gegen mich. Manchmal laufen sie mir vor die Beine, so nah. Ich beschließe sie auszublenden, mögen sie doch kläffen ohne mich. Es geht steil auf und ab bis ich aus der Stadt bin. Ganz schön hügelig, und bleibt weiter so. Bahnübergang. Vorbei zieht einer dieser beruhigend schnaufenden langen indischen Trains. Ich schaue zu. Dann weiter. Enge Strassen, unebener Asphalt, und vollkommen dunkel. Eine sehr dunkle Nacht. Ich laufe vorsichtig und noch langsamer. Aber ein good run. Ich sehe streckenweise überhaupt nichts, denn es ist auch noch Stromausfall. Keine der vereinzelt irgendwo funzelnden Straßenlampen geht. Kein Fenster leuchtet. Kein Auto, keine Räder, keine Menschen. Ich bleibe ab und zu stehen, sehe zu den Sternen, frage mich wo wohl heute der Mond ist, trinke einen Schluck. Irgendwann kehre ich um, laufe den leicht zu findenden Weg zurück. Stehe wieder am Bahnübergang. Ich atme ruhig und schaue zu. Zwei vorbei ziehende ruhige Riesenschlangen. Sie ziehen wie ich durch das Land.


13) Kollam: Laufen durch Kanäle


Die warme Abendsonne ist gegangen, ich dusche und bereite meine Laufsachen vor. Dehnen wie immer, noch ein Schluck indisches Mineralwasser, das ich mittlerweile zu gut kenne. Laufe locker und easy aus der Stadt, über Brücken und vorbei an den bekannten Kanälen dieser Gegend. Laufe auf der prima breiten Strasse. Ich weiß nicht wohin sie führt. Egal. Immer gut beleuchtet. Mir begegnen vereinzelt Busse und Lkws. Und kein Hund. Schwitze, aber laufe federleicht. Es ist 22:30 Uhr. Noch eine weite Brücke über einen Seitenkanal. Ich sehe Leute von den Hausbooten mir zuschauen. Es riecht hier etwas nach altem Fisch. Der Verkehr wird immer weniger. Kein Hupen. Ist das ein Highway? Immer noch warm aber erträglicher. Ich schweife mit meinen Gedanken auf den Kanälen, vorbei an den wirklich spektakulären Hausbooten, Fischernetzen, Kanus, und Kindern auf den Mauern. Gestern war ich einen beruhigenden Tag lang auf einer Boot-Tour durch die „Backwaters“. Heute laufe ich hier. So schnell sind 2 Stunden vergangen und schon bin ich wieder zurück.


14) Poona: Vollmond-Meditations-Lauf


Einer der Läufe ist noch erwähnenswert: Laufen durch die große und Industriestadt Poona. 5 Millionen - naja, für Indien nichts besonderes. Poona ist staubig, voller Verkehr, die Abgase ziehen in meine Nase. Ich trabe durch riesige Viertel mit sehr einfach zusammengebauten Bretterhütten, Wellblechdächern und einem nie endenden Gewimmel auf der Strasse. Auch nachts nicht. Gemüse liegt auf der Strasse, zermalmtes Zuckerrohr. Ein Lastwagen rattert im Schleichgang voll mit Erde beladen durch die Leute. Die kümmert das nicht besonders. Den übervollen Stadtbus überhole ich immer wieder. Die Strassen sind dunkel, eng und uneben. Zum Glück aber meistens geteert. Ich schlängele mich mit den Radfahrern, weiche Pferdekarren aus, passiere Rikshaws. Ich treibe im Verkehr.

Dann ist da die andere Seite Poonas. Ich verbringe hier lange Tage der Meditation und Besinnung. Ich bin so ruhig. Ein besonders spiritueller Ort mit viel Energie. Es gibt Inseln der Ruhe und des Friedens, ein wunderschöner Park. Viele Westlinge treffen sich hier. Meditationen aller Arten. Wochenlang. Es ist wieder Vollmond. Hier noch intensiver, noch größer, noch orangefarbener als anderswo. Ich spüre seine Anziehungskraft, er hebt mich förmlich hoch. Während ich im Strom treibe, trottend, heben meine GEdanken und meine Seele ab. Vergesse das laute Poona. Genieße den Frieden. Und die Papaya nach dem Duschen!


Erwin vom "Team Bittel"

 

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