Ich
war 2003 schon mal hier, um die Sagen umwobene
Via-Mala-Schlucht im
Laufschritt zu erkunden. Das Limit liegt 2008 bei je 400 Läufern (19km,
750 Höhenmeter)
und Walkern (13,8km), die zugelassen werden. Und das zu gut so, denn es
geht eng zu in dieser berüchtigten Schlucht am Hinter-Rhein! (Viamala=schlechter
Weg). --> Die Route: Thusis -
Viamala - Zillis - Pignia - Andeer - Donat – Zillis. |
Schattig ist es am Sonntag früh in Thussis. Die wenigen Sonnenstrahlen,
die ins Tal dringen, sind von Läufern gesucht, die in ihren kurzen
Laufhosen auf den Startschuss warten. Die, die keine Sonne finden,
scharen sich in den wenigen Cafes, die schon geöffnet sind und genießen
das italienische Flair!
Sonntagmorgen 8:30 Uhr, Hauptstraße
in Thusis, Graubünden. Bereits eine halbe Stunde von dem Start des
Transviamalalaufs stehen die 400 Teilnehmer dicht gedrängt an der
Startlinie. Ich hätte mich gerne noch weiter oben in der Sonne
warmgelaufen. Aber bei so viel Andrang versuche ich, mir ein Plätzchen
im vorderen Teil des Pulks zu ergattern, um etwas freier laufen zu
können, nicht immer auf die Füße des Vordermannes gucken.
Ein
exklusiver Lauf beginnt, der in der Schweiz längst Kultstatus genießt.
Nur jeweils 400 Läufer und Nordic Walker dürfen auf die
geschichtsträchtige Strecke durch eine der spektakulärsten und
bekanntesten Schluchten der Alpen: Die Viamala. Die Versuche römischer
Heere oder mittelalterlicher
Säumer
(=Transporteure), einen Weg durch die ungangbare
Schlucht zu finden, sind noch ebenso sichtbar, wie die Zeugnisse
neuzeitlicher Ingenieurskunst.
Der
erste Streckenabschnitt führt uns zu einem solchen Baudenkmal, die alte
Kommerzialstrasse aus dem Jahr 1823 durch das „verlorene Loch“. Auf den
noch flachen Ortsstraßen legt die Spitzengruppe ein höllisches Nordic
Jogging-Tempo vor. Ich hänge mich an, um von dem folgenden großen
Läuferfeld erst mal weg zu kommen. In der Schlucht steigt die Straße mit
gleichmäßiger Steigung. Von hinten drücken einige Läufer nach, vorerst
kann ich noch mithalten. Nach der ersten Überquerung des Rheins kommt
ein Steilstück, das es in sich hat. Über große Blockstufen (laut
Veranstalter sind auf der Gesamtstrecke 589 Steinstufen zu überwinden)
geht es steil nach oben. Eine ebene Traverse führt dann ausgesetzt an
der Schluchtwand entlang. Links überhängende Felswände, rechts der
Abgrund. Überholen ist hier nicht möglich. Das für ängstliche Wanderer
gespannte Drahtseil ignorieren wir. Eine kurze Bergab-Passage führt zur
Straße, auf der der Rhein in schwindelnder Höhe erneut überquert wird.
Ich laufe mit Absicht ganz nah am Geländer. Die hunderte Meter hohen
glatten und abweisenden Felswände und das enge Flussbett mit seinen
Wasserfällen zeigen, warum die Viamala einen so schlechten Ruf genießt.
Jetzt geht es
steil runter und dann auf der kühnen Hängebrücke Punt da Suransuns
erneut über den Fluss. Ein steiler Aufstieg durch dichten Fichtenwald
führt zum Ende der Viamala. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Nach
der dunklen Enge der Schlucht öffnet sich nun das breite,
sonnendurchflutete Schamsertal.
Was
müssen erst die Säumer gedacht haben, als sie diesen Punkt erreichten?
Möglicherweise haben sie
St. Martin in Zillis aufgesucht und ihrem Herrgott für die sicher
durchquerte Passage gedankt. Die Kirche gibt es seit dem 6. Jahrhundert.
Wegen ihrer Deckengemälde aus dem 12. Jahrhundert ist sie weltberühmt.
Ich bräuchte
auch etwas höheren Beistand, denn ich muss mir eingestehen, dass ich zur
Streckenhälfte schon reichlich platt bin. Auch im eher lieblichen
Schamsertal geht es beständig auf und ab. Wegen der großartigen
Landschaft und der interessanten Streckenführung genieße ich trotzdem
jeden Augenblick.
Die Walker dürfen schon hinter der Ortschaft
Pignia wenden. Auf der
anderen Talseite geht es noch einmal kernig bergauf. Mein Puls rauscht
wieder nach oben. Aua, das tut weh! Ich beiße die Zähne zusammen und
werde erneut belohnt. Aus dem dichten Laubwald taucht unversehens das
Kirchlein von Clugin auf, ein
sog. "Haufendorf" und ein architektonisches Kleinod. Auf der
folgenden Serpentinenstraße kann ich mein Tempo halten. Die Zuschauer
feuern mich mit Kuhglocken an. Ich bin trotzdem nicht böse, als ich das
Ziel in Donat erreicht.
Der Veranstalter des Transviamala, der Skiclub US Tumpriv, hat an alles
gedacht. Eine improvisierte Dusche in der Autowerkstatt (mit heißem
Wasser!), Bündner Spezialitäten in einem Säumer-Fazalet für jeden
Teilnehmer. Und die berühmten Pizzokels. Das alles baut uns erschöpfte
Wettkämpfer wieder auf. Das sommerlich warme Wetter lädt danach zum
gemütlichen „Hock“ mit den Konkurrenten ein.
Alles in einem: Ein GENUSSLAUF vom Allerfeinsten.
Erste Sahne, Landschaft und Organisation!
Euer Jörg
Infos:
www.transviamala.ch
|