Am 19.06.2010 um 14:00 Uhr werden wir mit unserer letzten Etappe der
Jurasteigwanderung beginnen. 24 h werden wir unterwegs sein, durch den
Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Immer begleitet von zwei
Versorgungsbussen, so dass wir unser Gepäck nicht selber tragen müssen.
Auch sind die Verpflegungsstellen jede Stunde eingerichtet. Die
Entfernung, die wir zurücklegen wird 70 km sein. Alle können das gehen –
keine Angst. Um einen Einblick in das Abenteuer zu geben, soll eine
kurze Beschreibung den nächtlichen Teil der letztjährigen Wanderung
illustrieren. Da sind wir von der Wahlfahrtskirche Habsberg (b.
Holnstein) über Deining, das Tal der weißen Laber herunter, Dietfurt
durchquerend bis ins "Himmelreich" gewandert (s.
www.waldkinder-regensburg.de ).
Die eher aus einem spontanen Einfall und
aus einem heftigen Bedürfnis nach "Grenzüberschreitung" entstandene
Idee, sich einmal aufzumachen und sich einzulassen auf das Gehen im
wechselnden Zeit- und Naturraum, hat bei den letztjährigen Teilnehmern
eine heftige Resonanz im Erleben geschaffen. Unterschiedlich ausgeprägt
waren die Geh- und Wandererfahrungen, nie zuvor hatte Jemand schon mal
eine so lange Zeit auf Wegen und in der Natur zugebracht.
Das Besondere ist die Nacht, die lang
sein kann. Ein wenig hat man Sorge vor dem Unbekannten der Nacht, die
ja nicht zum primären Erlebnis- und Aktivitätsraum von uns Menschen
gehört - die Nacht im Wald und Flur zu verbringen ist eine entlegene,
kaum gemachte, kaum machbare Erfahrung. Der einfache und schlichte
Zauber unserer Heimat bietet sich bereitwillig Jedem dar, der liebevoll
und achtsam durch sie wandert, mit versöhnten Blicken schaut und ein
wenig hineinträumt in den Tag, dabei sich an den mannigfaltigen
Schatten- und Lichtspielen der im Bewuchs wechselnden Wälder und
Berghöhen freut.
Wir haben jetzt gegen 21:00 Uhr nach
einem ausdehnten Nachtmahl die Schuhe, sicher aber die Kleidung
gewechselt, stellen uns auf eine frische Nacht ein, nur bedingt werden
wird durch unablässiges Gehen warmg ehalten. Die Fröhlichkeit und
kindliche Freude des Nachmittages ist jetzt einer konzentrierten
Vorbereitung gewichen. Voller Mut und Neugierde bleibt unsere Stimmung,
ungetrübt die Fähigkeit sich einzulassen und sich in die Mitte einer
jeden neuen Erfahrung zu stellen. Komme, was wolle, im schützenden und
bergenden Verbund mit gefundenen Freunden, die das Gefühl der
Zusammengehörigkeit schon untereinander sicher vermitteln, wird jeder
Gang durch die Nacht zum furchtlosen und ungetrübten Erlebnis.
Die Eisenbahnlinie Regensburg - Nürnberg
(bei Deining) unterqueren wir. Lange hören wir durch die Nacht, wenn ein
Zug über die Brücke fährt... Mitte der Nacht. Die Sterne tanzen Tango.
Irgendwo in der Unendlichkeit wird ein neuer Stern geboren. Kühl
streicht der Wind übers erhitzte Gesicht. Eine neue Wegorientierung
über die jetzt zu begehenden Hangpfade und eine feste Abstimmung für
unser nächstes Treffen mit dem Versorgungsbus ist notwendig. Langsam
sinkt Müdigkeit durch unsere Wahrnehmung. Weniger mutvoll, schon mit
einem starken Wunsch nach Ruhe und Schlaf, dem wir gerade noch zu
widerstehen wissen, machen wir uns unter dichtem Laubwerk weiter auf den
Weg, vorsichtig Schritt für Schritt setzend, den Untergrund mit unseren
Kopflampen aufmerksam nach knotigen Wurzeln absuchend - weißen
Jurasteinen, die uns zum Fallen bringen wollen, weichen wir aus. Jeder
stolpert einmal, keiner fällt, keiner verletzt sich auf diesen
Tunnelpfaden durch dichtestes Waldgeäst. Die Stille fällt uns auf, sie
ist auf eine Weise vollkommen hörbar. Die Nacht hat uns in ihren
wollenen Mantel gehüllt. Für eine kurze Zeit stimmen Raum und Zeit nicht
mehr zueinander. Die Nacht ist absolut, auch die naheste Kontur rückt
von uns ab. Die Augen strengen sich an, schauen hinaus in den leeren
Waldraum, sind uns jetzt gänzlich unbrauchbar, unfassbar wird auf einmal
der Wald, der Weg – Wer ohne Stirnlampe unterwegs wäre in dieser totalen
Finsternis würde nun keinen Schritt mehr sicher vorwärts kommen.
Wir sind Kinder dieser Erde, wir sind
Erben dieser Natur, eingebunden hormonell in den Rhythmus, den uns
dieser Planet, seinen schwierigsten Bewohnern, gegeben hat. Für den Tag
sind wir Menschen gemacht, seit Millionen von Jahren sind unsere Zellen
auf Licht sensibilisiert und bieten uns psycho-hormonell gesteuert
Stoffe zum Wachsein und Wachbleiben. Auf den Tag sind wir selektiert.
Nur heute treten wir aus diesem Schicksal hinaus und werden in einen
Kampf gegen unsere eigene Natur geworfen: Wachbleiben, obwohl unser
ganzes endokrinisches System uns seinen dunklen und automatischen Willen
aufzwingen muss. Alle Signale des Körpers haben auf Schlaf und Ruhe
umgeschaltet und in der letzten Nachtstunde, um 3 Uhr morgens kommt die
höchste Stufe der Versuchung sich einfach ins duftende Heugras legen zu
wollen.
Der Lichtschein eines Lagerfeuers
markiert nachts unsere große Rast. Bei der Biermühle, gerade durch die
enge Lösschlucht staunend auf weiten Wiesengrund wandernd, lassen wir
uns glücklich gelaufen auf Bänken nieder, mancher schläft am Lagerfeuer
für eine unruhige Stunde ein wenig. Wieder gehen wir in den Gegenhang,
hinauf nach Waltersberg. Schon im Frühlicht werden die Hügelkonturen
gegen den Osthimmel auch im Detail sichtbar. Die vertraute
Gegenständlichkeit der Dinge befreit sich aus dem Nachtdunkel. Vor
Holnstein, am Wanderparklatz, erkennen wir uns ohne Stirnlampen alle
wieder. Die Gesichter sind angespannt, müde schauen wir aus, rasten ein
wenig, früheste Vogelstimmen interpretierend.
Jetzt einfach durchhalten, weitergehen,
manchmal eine Frage noch, aber ansonsten fehlt die Kraft viel
miteinander zu sprechen, eher abgestumpft ist unsere Wahrnehmung jetzt…
Gottfried, aus der Mitte der
erlebnisreichen Nacht geschrieben....
(Gottfried mailen hier), er
würde sich sehr freuen Euch im Juni mit dabei zu erleben!
Bilder

So sieht die Wegmarkierung des
Jurasteiges aus |

So
mancher läuft sich heiße Füße
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Langsam dem Abend
entgegen |

Lauschige Waldpfade
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In der letzten
Nachtstunde um 3 Uhr früh erwartet uns eine kulinarische Pause |

schweres,
schwankendes Gehen am frühen Morgen nach durchgegangener Nacht |

durch
sonnengereifte Felder |

weit, weit ist
der Weg - 24 h lang |

folgsam in einer
Spur - der eine hinter der anderen |

Einfach
herrliche Nacht |

schon beim frühen
Morgenlicht |

noch so weit,
wenigstens scheint die Sonne |

Herrliche Wanderung in Landschaft und Freiheit |
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Infos: www.jurasteig.de
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