Heute ist der Tag der Wahrheit. Wo stehe ich? Wie ist meine Form?
5.45 Uhr. Mein Wecker klingelt. Zu meinen Ritualen gehört es 3 Stunden
vor dem Marathon aufzustehen. Ebenso wie meine ganz spezielle Nudelparty
am Tag davor um 18.00 Uhr. Danach wird alles zurechtgelegt und mein
Wettkampfgetränk gemischt. Mindestens 7 Stunden Schlaf sind Pflicht.
D.h. spätestens um 22.30 Uhr ins Bett. Kein Alkohol! Kein Sex! Yes, life
is hard!
6.00 Uhr. Wechselduschen zum Wachwerden. Zehen und
alle Scheuerstellen mit Vaseline einreiben und anziehen. Zwei Croissants
von gestern und ein Glas Wasser mit Magnesiumpulver sind mein Frühstück.
Den Drink am Besten mit lauwarmen Wasser genießen. Ich verspreche Euch:
Ihr habt nie mehr Probleme mit der Warteschlange an den Dixies.
7.30 Uhr. Ankunft am Start. Um diese unmenschliche
Uhrzeit sind natürlich noch die VIP-Parkplätze frei. Das Abholen der
Startunterlagen klappt reibungslos. Ich stimme mich mental mit meiner
Lieblingsmusik im Auto ein. Das Warmlaufen und mein Dehnprogramm fallen
eher kurz aus. 4:50 min./km will ich vom Start weglaufen. Da kann ich
mich auf den ersten Kilometern einrollen.
8.50 Uhr. Mit fünf Minuten Verspätung erfolgt der
Startschuss. Thomas Heller und Wolfgang Schweigert setzen sich sofort
ab. Ich gehe als Dritter auf die erste große Runde. Auf unserer zweiten
Runde rollen wir das HM-Feld von hinten auf. Bei KM 15 schießen die 10
KM-Läufer an uns vorbei. Ich bin umgeben von Halbmarathonis, was das
Laufen für mich angenehm macht, aber als Marathoni allein auf weiter
Flur. Vorne weit weg, hinten weit weg und ich mittendrin.
10.22 Uhr. Meine Halbmarathondurchgangszeit ist
1:32:32. Locker laufe ich in die dritte Runde. Dabei überhole ich
weitere HM-Läufer, schiebe mich immer weiter nach vorne. Ich erhöhe mein
Tempo. Birgit (2.W40) feuert mich an als ich sie überhole. 2 KM später
schließe ich zu Brigitte (1. W50) auf. Lockeren Fußes lasse ich immer
mehr HM-Starter hinter mir.
11.10 Uhr. Wir Marathonis sind allein auf der
letzten großen Runde. KM 33. Wie ein blauer Blitz schieße ich am bis
dahin Zweitplatzierten vorbei. Wolfgang kann nicht gegenhalten. „Jaaa!“,
ich liege an Position zwei. Das beflügelt, wie entfesselt sprinte ich
den nächsten Kilometer. Schnell wird der Abstand zwischen uns größer. Es
wird Platz 2, denn Thomas ist auf der langen Geraden nicht zusehen.
Super, Zweiter war ich noch nie!
11.52 Uhr. Mein Jubellauf beginnt. Die letzten 500
Meter. Das Ziel. Jubel. Freude pur! Die letzten Meter robbe ich im
Freudentaumel auf allen vieren über die Ziellinie. Klasse! Beim
Trainingslauf Platz 2. Grandios! Doch was ist das. Thomas kommt hinter
mir ins Ziel. Er hatte bei KM 41 Krämpfe bekommen und musste medizinisch
versorgt werden. Ich kann es erst gar nicht begreifen. „Jochen, du hast
gewonnen“. Birgit und Brigitte wecken mich aus meiner Trance. Der
After-Finish-Samba kann beginnen!
Wer läuft, träumt vom Sieg. Es muss nicht der erste
Platz sein, sondern eher der Sieg über sich selbst. Zum ersten Mal 30
Minuten am Stück laufen, zum ersten Mal die 10 KM unter 40 Minuten, den
Halbmarathon unter 1:25, den Marathon unter 3 Stunden, Rennsteig, Biel
usw. Wen der Ehrgeiz einmal gepackt hat ……genau. > Training, Ernährung,
Klamotten, Esoterik – für den Sieg sind wir zu fast allen Entbehrungen
bereit.
Heute habe ich alles richtig gemacht. Es hat
geklappt!
Run happy and smile!
Jochen
PS. Zu Jochens
Zeitungsinterview über den Lauf
Infos: www.finish-line.de
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