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18./19.07.2015 - 24-Stunden Lauf (Dt. Meisterschaft der DUV in Reichenbach) Autor: GottfriedOel
E-Mail: Gottfried.Oel@medbo.de |
Vielleicht sind alle schrecklichen Läufe unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will. (Rainer Maria Rilke – im Zitat wurde „schreckliche Drachen“ mit „schrecklichen Läufe“ ersetzt) |
Was die Einengung von Wahrnehmung sein sollte, wird wahrscheinlich zu einer Erweiterung der Erfahrung. Da die Zeit ja auch immer den Raum verändert, solange man in Bewegung bleiben kann, ist ein 24 h Lauf eine großartige Erfahrung. Wenn ich mal eingesperrt werde in einer Zelle, die zu klein zum Rundenlaufen ist, dann würde man diese Reduzierung des Raumes wohl als schmerzliche und zerstörerische Zeitdehnung empfinden können. Alle zerstörerischen Gefühle würden hochsteigen: Langeweile, Einsamkeit, Verlassenheit befällt einen. Aber so ist das bei einem 24 h Lauf nicht. Die Bewegung ist wie ein Schild, das den Läufer vor allen traurigen und einsamen Gefühlen schützen kann. Der Läufer an sich, der im Laufen Gewohnte, der dadurch auf sich achtsam Gewordene, erfährt Zufriedenheit und Glück auf einfache Weise. Es fällt aller falscher Schein von ihm ab. Im Laufen kommt er zu sich, er nimmt sich an, wie er ist, nicht wie er gewünscht wird und sein soll. Jeder Lauf ist ein Lauf zu sich selber, in Einklang zu kommen mit den Gefühlen, die widerstreitend einem manchmal beschäftigen und ein großes Ja zu finden zum Hiersein, dass je älter man wird, immer rätselhafter erscheint. 18./19.07.2015 Deutsche Meisterschaft der DUV in Reichenbach Ansonsten sind die Strecken, die wir gewohnt sind zu laufen, von Veränderungen im Landschaftsbild geprägt. Ist das nicht ein wunderbares Leben. Über einen einfachen Hügel hinab, eine Weile lang am breiten Silbergürtel der Donau einer schon tiefstehenden Sonne hinterherzulaufen und mit grundloser Freude, evoziert auf einfache Weise im beständigen Auf und Ab buckligen Waldpfaden zuzustreben, und dann ist wieder ein Höhenzug geschafft – wie die Ausblicke auf diese abendbekrönte Stadt aus der Ferne bereichern, wie sich ihr rötliches Licht lautlos ins Dunkel verliert! Das alles ist facettenreich, traumwandlerisch manchmal, auf jeden Fall immer ein unerwartetes Ergebnis unbeschwerten Laufens. Unser Laufen hat so immer ein Telos, also ein Ziel zu dem wir uns orientieren können. Wir durchmessen eine Strecke und durchlaufen sie, das macht Sinn. Wir kommen an, wo wir hin wollen. Ist deswegen ein 24 h-Lauf im Kreise ein Paradoxon? Die immer gleiche Strecke muss Runde für Runde durchlaufen werden. Bringt einen die anschwellende Monotonie nicht um den Verstand? Laufen heißt Suchen. Solange wir laufen suchen wir und wollen verstehen wer wir sind und was diese „Welt“ bedeutet, durch die wir laufen. Erkenntnis von Wahrnehmung ist in unserer menschlichen Welt nur durch die Kategorien von Raum und Zeit möglich. Was passiert im Verlauf des immer wieder kehrenden Zirkulierens auf immer derselben Strecke? Das ist Neuland. Selten sind wir im Leben mit Tätigkeiten befasst, die uns auf eine ergreifende Weise so lange an sich binden. Die Erkenntniskategorie Zeit tritt gegenüber der Erfahrungswelt „Raum“ in den Vordergrund. Wie vergeht die Zeit ohne eigentlich durchlaufenen Landschaftsraum an uns? Kann Monotonie und Schmerz die Zeit ins Unerträgliche dehnen? Trotz der Komprimierung des Laufraumes gilt aber auch: Der Raum verändert sich über die Zeit. Die expansive Kraft, die als Antrieb zum Laufen drängt, entspringt aus der Sehnsucht nach Ortsveränderung und der Entdeckung von Geheimnissen. Ist ein 24 h-Lauf deshalb ein seltsames Gespinnst? Finden wir über das sichtbare Vergehen der Zeit einen Zugang zu einer überraschenden, möglicherweise vorher nicht erfahrbaren Erlebnisqualität. Und ist ein 24 h Lauf doch sinnvoll möglich? |
Der Start zur Deutschen Meisterschaft der DUV (Deutsche Ultramarathon Vereinigung), bei der jeder Läufer, der sich nur traut sich anzumelden, mitlaufen kann, beginnt am Samstag den 18.Juli 2015 um 10:00 Uhr morgens auf dem Gelände des SV Reichenbach. Ein kühler Nachtwind hat die Regenpfützen weggeblasen, die sich auf der Außenstrecke in vereinzelten schadhaften Mulden gebildet haben. Ich habe im Auto geschlafen, meine Zuflucht, Asyl und Krankenstation, geparkt direkt an der Laufstrecke. Jede Runde kann ich so verführt sein, anzuhalten. Aus früheren Läufen treffen sich Menschen, die Freunde geworden sind. Die Familie der Ultras ist klein. Im Stadioninnenrund sind nach und nach Zelte der einzelnen Teams direkt an die Bahn gestellt worden. Eine frohe Atmosphäre, Gespanntheit spürt man, auch die Konzentration, sich diese nicht anmerken zu lassen, betontes Understatement. „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“ – mit dem Verklingen der Nationalhymne fällt der Startschuss. Niemand hat es eilig im Rund. Wir werden keine Räume erobern, die Zeit vergeht ohne sie beschleunigen zu können. Wir sind Wesen dieser Zeit, die an uns vergeht. Die ersten Runden werden aufmerksam studiert, gibt es Stolperfallen, von wo kommt der Wind am heftigsten, wohin wirst du gerne schauen wollen in den nächsten Stunden, wie regelt man den Check Point am Stadionausgang am besten, damit die Runde auch wirklich elektronisch mitgezählt wird. Es ist eine heitere Stimmung. Es wird auf einem 24 h-Lauf nicht gekämpft. Reden und Sich-mitteilen geht immer recht leicht, man ist ja auch ständig auf eingeengtem Raum zusammen und verliert sich nicht einzeln im tiefen Landschaftsraum eines Langstreckenlaufes. Wir sind 4 Oberpfälzer. Leo Stierhoff ist 78 Jahre alt, er wird in seiner Altersklasse siegen können, Hermann Böhm erst 65, auch er wird eine Platzierung erhalten. Ich bin ja noch viel zu jung, um wirklich nach vorne laufen zu können. Ausdauer wächst auch im Alter weiter und der Vorzug, sich bescheiden zu können. Bis Mittag vergeht die Zeit freudegefüllt. Für die Nacht sind lange und heftige Regenschauer gemeldet worden. Sonne bricht jetzt durch die Wolken, die Temperatur erhöht sich auf 16°C. 24 h-Läufe sind temperierte Abenteuer. Läufe über so einen langen Zeitraum bieten die Möglichkeit für jeden nach seiner eigenen Philosophie zu laufen und sich seiner individuellen Leistungsfähigkeit anzunähern, wenn man mag. Es ist ein völlig sorgenloser Lauf. Bei Distanzläufen im Gelände sind unangenehme, witterungsbedingte Überraschungen völlig normal. Bei 24 h-Läufen, die letzten liegen in meiner läuferischen Jungsteinzeit, bleibt nur eine einzige Aufgabe zu tun: Laufen ohne Sorgen, fast wie es einem beliebt. Es gibt keine normierten Durchgangszeiten, keine Verpflegungsstellen, die man mit schon unzureichenden Kräften im schwierigen Gelände oder bei Nacht finden und anlaufen muss. Man muss sich nicht um seine Kleidung kümmern, der Versorgungstisch wird wie ein „Tischlein-Deck-Dich“ unaufhörlich nachgefüllt. Oh, wie duftet der Kaffee, den Kirschkuchen schon probiert, da scheint es gegen Abend Würstel zu geben. Nur Eiscreme fehlt jedes Mal und Sekt. 24 h durch die Landschaft zu Laufen ist für Helden. Runde um Runde um ein Leichtathletikstadion zu laufen ist für Genießer oder schonungsbedürftige Läufer. Hier geschieht nichts mit Gewalt. Der Himmel bereitet uns ein Vergnügen. Die Freundlichkeit des Tages, ein nicht zu kühler Wind, ist ideal. Am Nachmittag schiebt sich aus dem Norden kommend sehr überraschend eine beachtliche, schnell steigende und von starken Höhenwinden bewegte Wolkenfront über das Stadion. Auf der 400 m-Bahn sehen wir den Himmel unverstellt und phantasiebegabt. Oder sind es bereits Nebenwirkungen, enträtseln wir die schnell wechselnden Wolkenformationen. Der Millennium Falke, nein Michael, das ist die Enterprise. Dann dort ein Ungetüm von aufquellenden Wolkenschichten wie nach einem verehrenden Vulkanausbruch, unaufhaltsam höherziehend, am schwarzen Westrand Unheil verheißende Bastionen zusammengeballter Wolkenmassen, die in sich unaufhörlich fallenden Nachtregen tragen werden. Der Nachmittag beginnt mit einer ersten fühlbaren Zeitdehnung. Meine Schmerzen im linken Sprunggelenk nehmen auf einmal zu. Wieder dieser heidnische Malefiz-Teufel, der die Arthrose im alten gebrochenen Sprunggelenk zum Glühen bringt. Schon muss ich Gehen. Die Physiotherapeutin kommt erst um 17:00 Uhr, noch unangenehme 2 Stunden. Man merkt, bei einer Deutschen Meisterschaft hat niemand zimperlich zu sein. Athletische Duelle um Platzierungen sind uns fremd. Ohne Ambitionen, eher ein bisschen feige sein, hat auch Vorteile des besseren Wohlbefindens. Wer aber Deutscher Meister werden will, der ist anders unterwegs. Die Elite I ist immer in Eile, denn wer am Ende über 200 km schaffen möchte, darf nicht ruhen. Da sind mir die Helden von der Elite LV und aufwärts schon lieber. Mit Diethardt komme ich an der Kaffeebar an. Wir kennen uns seit 15 Jahren von verschiedenen Mehrtagesläufen. Wir nehmen uns zwei Kekse, übersüßen den Kaffee, verbrennen uns die Finger durch das dünne Plastik und machen uns, das Station umrundend weiter auf den Weg. Stehenbleiben sollte man nicht, Essen und Trinken im Gehen ist besser, das ist Streckengewinn. Eile haben andere, wir verfangen uns gesprächsvertiefend in Laufgeschichten. Trügen wir Läufer sichtbare Abzeichen über bestandene Läufe, Diethards Laufhemd wäre mit Aufnähern aus 260 Ultras mehrere Kilo schwer, nicht mehr tragbar. Revolverhelden schnitzen sich Kerben, Läufer erzählen Erlebnisse. „Gibt es ein Leben nach dem Laufen“, also nach dem Ende der Leidensfähigkeit und dem Beginn des altersmüden Gehens? Diethard beginnt wieder anzulaufen, kopfschüttelnd nimmt er in ziemlich krummer Kurvenhaltung laufend den Anstieg aus dem Stadion hinaus. Wie ein junges Rentier trabe ich aus dem Physioraum zurück auf die Strecke. Der Scheitan, der in meinen Gelenken gesessen hat, wurde von den geschickten Händen einer brutalen Physiotherapeutin vertrieben. In Ermangelung von fehlenden Reizen, die beim Entfernungslaufen in der Natur permanent in unsere Sinne gelangen, verlangt unsere monotonisierte Aufmerksamkeit offensichtlich nach einer neuen Art von Beschäftigung. Kleine Veränderungen, die von Runde zu Runde nicht gleich zu bemerken sind, verengen erheblich die Wahrnehmung. Wie fixiert ist man auf das wenig Interessante, dass den Augen Botschaften und dem Gehirn Nachrichten bieten. Beim Hinauslaufen aus dem Stadion führt der Weg linksherum an einem Eisengitter vorbei. Es ist wie ein Zwang: Jedes Mal wieder, nur wenn ich daran vorbeilaufe, unaufhörlich auch nachts, kommt mir die gleiche cineastische Szene mit Dustin Hoffman in den Sinn, wie er im Film „Der Marathonmann“ vor der untergehenden Sonne, im Hintergrund die Skyline von New York sein Training absolviert. Rituale erwirbt man sich anfänglich unbemerkt. Eine weitere neurotische Handlung ist das Verhalten, gezwungenermaßen beim Vorbeilaufen des offenen Zeltes der LG Berlin feststellen zu wollen, wer gerade auf der Strecke ist, wer verwaltet die Versorgungsstelle oder wer döst ermattet im Campingsessel weiter hinten. Diese Information hat einfach keine Bedeutung, will aber irgendwie trotzdem registriert werden. Rituale entstehen aus einer anfänglichen Unschlüssigkeit des beobachtenden Verstandes, sich von Einzelphänomen wirksam distanzieren zu können. Z.B. reicht es, dass eine nicht richtig gezurrte Fahne, die der frische Wind knattern lässt, alle Aufmerksamkeit immer und immer wieder auf sich zieht. Wunderbar gleite ich dahin, es dämmert. Selbstvergessenheit beginnt bald. Der Weg geht nach innen. Man behält die Außenwelt, jedoch geht sie einem momentan nichts an. Die Zeit verlangt vom Bewusstsein weniger Urteile abzugeben, wie im Schlaf oder im Tod. Auch nicht ist zu bemessen und zu bewerten Vergangenes und Vergehendes. Der traurigen Knechtschaft der Zeit, die aber allein unser bewusstes Leben steuert, zu entfliehen, ist unmöglich. Die Chance auf Erleuchtung verpasse ich leider in der nun plötzlich einsetzenden Sintflut, die vom Himmel fällt. Durchnässt entschlüpfe ich dem prasselnden Regen in mein Hotel, Kofferraum auf, hineingekrabbelt, umgezogen und dann fest in das bereitgemachte Bett geschlüpft und warmgezittert. So kuschelig fühlt sich das nun an. In der Schwärze draußen hinter dem dichten Regenvorhang hört man die unentwegten Platscher der Eliteläufer, Arme Kerle. Nach einer Stunde etwa hört der Regen auf. Gründe länger von der Strecke fern zu bleiben, gibt es nicht. Die orthostatischen Fähigkeiten sind erhalten, die große Infragestellung noch ausgeblieben. Wunden, die mir ein Alibi geben könnten, feige zu sein, habe ich noch nicht. Der Abend geht, die Nacht kommt rasch. Die Runden summieren sich trotzig. Das Gehirn martert sich selber, weil es jede Runde neu die zurückgelegte Distanz berechnen will, und sie - gemessen am Maßstab der unseligen Anstrengung – immer frustrierend für zu wenig hält. Da brennt sich etwas ins Gehirn, was da nicht hingehört. Ich bin in die Zeit verklebt. Die zweite Phase der Zeitdehnung, wie bei einem interstellaren Flug mit Lichtgeschwindigkeit, muss ausgehalten werden. Wir werden immer langsamer, wir spüren die Last der Nacht, Müdigkeit, Unlust. Die Nacht trennt uns, isoliert uns zu Einzelwesen, die sich selber keinen Trost zusprechen können. Der Weg hat eben kein Ziel, das man sich vorstellen könnte, so verläuft man sich in den unsichtbaren Keller der Nachtzeit. Der Körper zeigt Charakter, Unwillen, Protest. Das Konto der auftrainierten Kräfte ist leer. Bevor meine Füße ihr indianisches Todeslied anstimmen, treffe ich Diethard wieder, überrundend. Auch er geht ziemlich konsequent. Die Nacht hat uns eingefangen. Stadionleuchten illuminieren den Platz. Auf dem Weg um den Wasserturm herum brennen die Straßenlaternen. Dadurch hat der geblendete Nachthimmel keine Chance zu uns durchzudringen. Die elektronische Anzeige rechnet für mich die Runden in Kilometer um. Die Zeit erlebbar zu machen, heißt sie zu teilen. Warum nicht ein Nudelgericht mit auf die Strecke nehmen, den Fluss der Zeit unterbrechen, sich jemand mitteilen, eine Runde aussetzen, beim abgestellten Springbrunnen unter dem massigen Wasserturm einen Moment zur Besinnung kommen? Dann das assoziative wilde Spiel von Gedankenfluchten akzeptieren, eine bunte Lebensbühne illusioniert unsichtbar Bilder der Erinnerung. Man verliert sich darin, ohne Gedankengeländer, das man jetzt nicht hat. Manchmal spürt man furchtlos eine Leere, die ungewohnt heftig ist. Mitternacht zeitigt sich, vergeht unbemerkt, noch zwei oder drei Runden, dann sind die 100 km voll. Gegen 2: 00 Uhr, nach 16 Stunden beschließen wir übereinstimmend zu schlafen und uns beim ersten Frühlicht um halb 5 wieder zu treffen. Es ist ein Privileg ein Auto an der Strecke zu haben, in dem man sich schützend verbergen kann. Viele schlafen drüben in den Umkleideräumen auf dem Boden oder in Zelten auf dem Platz. Die Elite läuft ohne anzuhalten einfach weiter. Schlafen geht irgendwie nicht sofort, die zirkuläre Bewegung setzt der Kopf gedankenspielend erst einmal weiter fort, Runde für Runde. Nur langsam fällt man in sich zurück. Was hat man in den letzten Stunden erlebt, von was lässt sich erzählen? Alle Erlebnisse der letzten Stunden, des ganzen gelaufenen Tages sind ziemlich zusammengebacken, Einzelerinnerungen verklebt. Wir sind einfach nur gelaufen, die Runden haben sich wie von selbst zu weiten Strecken summiert, ein erster Marathon, dann wieder nach Stunden, aber im Bewusstsein fast unauffällig ist der Zweite durchlaufen. Aber was ist in uns bewusst als Erlebnis, als Wahrheit verblieben? Die Zeit wächst nicht mehr in uns. Nur der Augenblick ist wahr. Dann muss ich doch eingeschlafen sein. Das ist der Zauber eines frühen Sommermorgens. Nach drei Stunden Schlaf mit wechselnder Tiefe wie schnell auflaufende Flut und rasch trocken fallender Ebbe, weckt mich das Sonnenlicht. Neu armiert mit Salben an den empfindlichen Füßen, mit einem billigen Stützstrumpf für das linke Knie, gewechselten Laufschuhen und heiligem Mut, beginne ich erst einmal mit Gehen. Die Runden sind nicht unangenehm, wirklich belastende und demotivierende Schmerzen sind ausgeblieben. Angenehmes, nicht Rückschlüsse ziehendes Laufen und ziemliches Marschieren fühlt sich anders an, Der malträtierte Körper beschwert sich, lässt sich aber weiter vorwärts drängen. Der Mut ist jetzt am Morgen ausgewachsen, jetzt wo die Nacht vorbei ist, und die Schlusssirene um 10:00 Uhr bald zu erwarten ist. Die Strapazen sind auszuhalten, die Vorstellung von der Kürze der Zeit hilft dabei. Jetzt ist sie wieder transparent, kalkulierbar, an einem selber erfahrbar, diese unbegreifliche Dimension unseres Lebens. Jetzt auch fällt auf, die Runde wird nicht mehr wie zwangsweise abgegangen, sondern wie im Fluss eines freiwilligen Geschehens, das kaum einer Beendigung zusteuern müsse. Die Elite wirkt gehetzt. Manche Gesichter leuchten. Wieder andere begegnen uns mit unveränderlicher Mimik, von Runde zu Runde schleppender, mit ungesunder Blässe und Kurzatmigkeit. Wir sind froh, schon zufrieden einfach dabei zu sein. Endlich, länger hätte es nicht mehr dauern dürfen, dann endlich ist Schluss. Gelungene 132 km Laufleistung stehen dann auf dem Streckenprotokoll. Das ist, wenn man sowieso nicht resolut laufen wollte, dennoch eine solide Strecke gewesen. |