Team Bittel
 

Crosstraining – Ein Läufer auf Abwegen?  

Autor:  JochenBrosig   E-Mail: Jochen.Brosig (at) yahoo.de
Letzte Änderung: 03.10.2009 22:16:58

Mein Laufjahr ist erfolgreich vorüber. Was nun? Ich greife zum Fahrrad.
Marathonsieg in Nürnberg! Superzeit in Forchheim! Jetzt kann ich erst einmal die Beine hochlegen. Ich verringere mein Laufpensum extrem und komme mir vor wie ein Formel 1-Wagen, den man im Schritttempo durch die verkehrsberuhigte Zone fahren lässt. Doch schon bald kribbeln mir die Füße. Aber STOPP, Nun ist erst einmal die Familie dran. „Denkste“, sagt die Läuferfrau, „jetzt sitzt er am Computer und schreibt Laufberichte.“

Aber, was tut sich sportlich? Hinaus in Wald und Flur? Mit herrlich langsamen Läufen und einem Lächeln im Gesicht den hechelnden Laufkameraden zeigen, was Dr. Strunz immer predigt? Oder gleich den nächsten Marathon anvisieren und rennen bis die Socken qualmen? Ruhig Blut. Zunächst beschließe ich, meine Hausstrecke einfach mal nackt zu laufen. Ja richtig, nackt. Also ohne Herzfrequenzmesser. Schönes Gefühl!

Ganz wichtig ist es auch sich zu belohnen, wenn man etwas erreicht hat. Gedacht, getan. Mein Weg führt mich zu unserem Fahrradhändler in Röttenbach. Schon seit etlichen Wochen blieb ich vor dessen Schaufenster stehen. Wie als kleiner Junge vor Weihnachten. Ein Cross-Rad sollte es sein. Etwas für Wald und Flur, aber nicht für Downhill. Trotzdem schnell auf Asphalt, aber kein Rennrad. Nach zwei Testfahrten war es entschieden, mein Geldbeutel leer und unser Keller wieder etwas voller. Es ist schon ein tolles Gerät. Die Augen glänzen. Der Querläufer hat ein neues Spielzeug.
Endlich Samstag. Wie habe ich dieses Wochenende herbei gesehnt. Mein Siegerlaufshirt spannt stolz über meiner Brust. Mit kurzen Tights und Helm bewaffnet gehe ich in den Keller. Ich hole nach getaner Arbeit mein Bike an die frische Luft und schwinge mich, wie einst John Wayne, auf den Sattel. Getreu dem John-Bon-Jovi-Motto: „I´m a cowboy, on a steelhorse I ride“. Wolkenloser Himmel. Die Sonne lacht. Der Wind pfeift an mir vorbei. Der so genannte “Bike-Scirocco”, der immer von vorne bläst. Augenblicklich beginnt meine merkwürdige Metamorphose: Obwohl ich selbst tagtäglich 200 km - 300 km im Auto sitze, mutieren alle motorisierten Verkehrsteilnehmer zu blutdürstigen Feinden.

Hemhofen, Tempo-30-Zone. Hinter mir röhren 150 PS. Kaum ist etwas mehr Platz als Autobreite + 20 cm, zieht ein schwarzes BMW-Cabrio an mir vorbei. An der nächsten roten Ampel habe ich es wieder eingeholt, biege trotz Rot rechts ab (bitte nicht petzen!) und bin wieder in Front. Das muss den Fahrer mächtig gewurmt haben, denn ich sehe nur noch einen schwarzen Strich. Macht nichts, den als Radfahrer habe ich einen Vorteil: Ich darf durch den Wald abkürzen. Ich wechsle das vordere Kettenblatt, erhebe mich kurz zum Wiegetritt, Eric Zabel lässt grüßen, beschleunige weiter und keuche auf der anderen Seite aus dem Wald. Ich habe gerade noch soviel Zeit, mich aufzurichten und ganz locker zu winken, als der schwarze BMW wieder vorbei fährt. Die Lungen saugen gierig nach Sauerstoff, die Oberschenkel zittern, der Hals wird trocken. Endlich vorbei.

Weiter geht es. Das neue Bike geht wie die Angst und es bewahrheitet sich die alte Regel „Läuferwadl bedeutet schnelles Radl“. Die Zeit vergeht schnell und schon bin ich wieder in Röttenbach. Haha, wir Marathonis haben Dampf in den Beinen! Dann kommt die letzte Steigung am Kapellenberg. Etwas zurück geschaltet, 85 Pedalumdrehungen sollten es schon sein. Wiegetritt, das Rad publikumswirksam hin- und hergeschwenkt, erklimme ich unseren Col de la Capelé (Kapellenberg). Jetzt nur noch bergab, der Kilometerzähler zeigt 42 KM. Was, ist schon ein Marathon vorbei? Also noch ein bisschen ausrollen, das war’s für heute. Ein Virus hat sich eingenistet, es hat Zähne, ein Kette und immer Gegenwind.

Doch was muss ich in einer Illustrierten lesen: Durch Ausgleichssport (neudeutsch: Crosstraining) wird die Verletzungsgefahr gemindert. Das Training ist weniger einseitig und es bleibt mehr Raum für Regeneration. Es wird aber vor Übertreibung gewarnt. Australische Ärzte der Universität Melbourne haben in einer Studie die These bestätigt: „Rad fahren macht Männer impotent“. - Also doch: Schuster bleib´ bei deinen Leisten. Ab morgen schnüre ich wieder die Laufschuhe.

Run happy and smile!
Euer Querläufer

Jochen

 
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