|
Mein 1. Ultralauf: der Rennsteig 2008 Autor: OliverSchuberth
E-Mail: OliverSchuberth§gmx.de |
Ich weiß, dass ich mit 6 gelaufenen Marathons nicht ganz ohne Erfahrung bin, aber hier kommen noch mal 30 Kilometer dazu! - "Laufen bis es nicht mehr geht und dann gehen bis es wieder läuft". |
Eisenach, 17. Mai 05:15 Uhr. Müde, aber aufgeregt steige ich aus dem Bus, der mich zu so früher Stunde aus Oberhof zum Start meines ersten Ultramarathons gebracht hat. Ich suche mir einen Platz am Brunnen auf dem Marktplatz in Eisenach, um die letzten Vorbereitungen anzugehen, esse noch ein Brötchen und beobachte die vielen anderen Läufer, die bald gemeinsam mit mir diese lange Strecke in Angriff nehmen werden. Fit sehen sie alle aus – hoffentlich bin ich es auch! Leider konnte ich diese Woche nicht mehr trainieren, da mich eine leichte Erkältung plagte und ich kein Risiko mehr eingehen wollte. Somit kann ich im Moment nicht einschätzen, wie gut ich drauf bin. Habe ich ausreichend trainiert? Habe ich bei einem Einbruch die Motivation, weiter zu laufen? Wie soll ich diesen Lauf angehen? Ich weiß, dass ich mit 6 gelaufenen Marathons in einem Jahr nicht ganz ohne Erfahrung bin, aber hier kommen noch mal 30 Kilometer dazu. Die Anspannung steigt. Ich gebe meinen Kleiderbeutel ab, trinke noch etwas und mische mich unter das Läufervolk. Noch 10 Minuten bis zum Start. Zum Glück regnet es nicht. Als das Rennsteiglied ertönt, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken! Toll, wenn ich Empfindungen anderer Läufer, die in zahlreichen Bereichten beschrieben sind, endlich am eigenen Leib spüren kann! Und dann geht es los. Ich habe mir keine Zielzeit gesetzt, sondern möchte mit einem guten Gefühl in Schmiedefeld ankommen. Schließlich möchte ich meine Freude am Laufen nicht in einem einzigen Lauf kaputt machen. Langsam laufe ich durch die Fußgängerzone, durch das Stadttor auf den ersten Anstieg zu. Meine Beine fühlen sich gut an, mein Puls pendelt sich bei 125 Schlägen ein. Ich versuche meinen Rhythmus zu finden, was angesichts der zahlreichen Läufer und damit verbundenen Stopps gar nicht so einfach ist. Ich fühle mich zufrieden und freue mich, dass ich es geschafft habe, mein Ziel in den letzten Wochen nicht aus den Augen zu verlieren. Ich bin dabei! Bald passieren wir die 1. Getränkestelle und weiter geht es, immer bergan. Links sehe ich am Himmel die Sonne diffus durch die Wolken scheinen. Ich hoffe noch immer darauf, das es nicht regnet, schließlich bin ich, wie die meisten anderen Läufer auch, nur in kurzem Laufshirt unterwegs. Als ich am 10KM-Schild vorbeilaufe beginnt es doch leicht zu nieseln und schnell wird ein richtiger Regen daraus. Bald bin ich richtig nass und meine Motivation sinkt mit jedem Meter. Ich beneide die Läufer, die sich einen Regenschutz mitgenommen haben und frage mich immer wieder, weshalb ich nicht so schlau war? Dazu kommt nun auch noch ein Schmerz auf der rechten Seite meiner Hüfte, den ich vor einigen Wochen schon mal hatte, den ich aber eigentlich mit Hilfe diverser Cremes in den Griff bekommen hatte. Soll bereits jetzt alles vorbei sein? Die ganze Vorbereitung umsonst? NEIN! Ich rede mir ein, dass der Regen sicher bald wieder aufhört und es in wenigen Kilometern Verpflegung mit dem legenderen Schleim geben wird. Und tatsächlich passiere ich das 15KM Schild bereits wieder im Trockenen! Mein erstes Tief ist überwunden. Nie hätte ich gedacht, dass es so bald kommen würde, aber von nun an läuft es deutlich besser. Nach 2 Bechern warmem Tee und Schleim an der Verpflegungsstation komme ich endlich in meinen Laufrhythmus und muss mich immer wieder bremsen, um nicht zu schnell zu laufen. |
Die Strecke empfinde ich als anspruchsvoll. An den Steigungen gehen viele Läufer bereits und ich schließe mich ihnen an. Lieber etwas langsamer angehen und dafür am Ende noch genügend Kraft haben, sage ich mir immer wieder. Und ich sollte damit Recht behalten. Als ich den Inselberg (km25) erreiche, ist meine Freude groß, bereits ein Drittel der Strecke geschafft zu haben. Noch immer fühlen sich meine Beide gut an, auch wenn mich der Schmerz in meiner Hüfte bis nach Schmiedefeld begleiten wird. Das 2. Drittel beginnt richtig gut. Bis KM 45 sind nur kleine Steigungen zu bewältigen und ich schaffe es ein konstantes Tempo zu laufen, das nur von den kurzen Stopps an den Verpflegungspunkten unterbrochen wird. Endlich ist die Marathondistanz geschafft. Ab jetzt sind es trotzdem noch 30 Kilometer. Und auch die höchste Erhebung, der Große Beerberg, muss noch bewältigt werden. Trotzdem laufe ich bei mittlerweile idealen Laufbedingungen gut gelaunt weiter und meine Gedanken zu Beginn des Laufes, mit Zeitnahme am Grenzadler bei KM55 auszusteigen, sind wie weggeblasen! Ein Blick auf meine Uhr zeigt mir, dass ich bisher ein konstantes Tempo von knapp unter 7:00 min je km gelaufen bin und mit einer Zeit von etwa 8 Stunden 30 Minuten in Schmiedefeld ankommen könnte. Vor einigen Wochen hatte ich mir ein Tempo zwischen 6:00 min und 6:30 min vorgestellt, diese Idee dann aber doch verworfen, aus Angst, einzubrechen und so den Lauf nicht bis ins Ziel durchzuhalten. Das Passieren des Grenzadlers weckt in mir neue Energie! Gestärkt laufe ich nach kurzer Pause weiter. Noch nie bin ich eine so lange Distanz gelaufen. Alleine dieser Gedanke ruft eine Glücksgefühl in mir hervor. Meine Beine fühlen sich müde an – kein Wunder nach dieser Strecke – doch von Krämpfen oder ähnlichem keine Spur, auch wenn das Antraben nach den Verpflegstationen immer härter wird. Noch etwa 18KM oder 2 Stunden. Ein gemütlicher Trainingslauf, würden da nicht bereits 55KM in meinen Beinen stecken. Nun fallen selbst leichte Steigungen, die ich sonst im Training gern zügig laufe, schwer und immer wieder wechsle ich Laufen mit Gehen ab. "Laufen bis es nicht mehr geht und dann gehen bis es wieder läuft" – dieser weiser Spruch begleitet mich von nun an bis ins Ziel. Endlich erreiche ich den höchsten Punkt der Strecke und rufe mir noch mal das Streckeprofil ins Gedächtnis. Von nun an geht es doch nur noch bergab, oder? - Leider nein! Das Gefälle und somit auch mein Laufrhythmus, wird noch einige Male von kleinen Steigungen unterbrochen. Doch nun hält mich nichts mehr auf. Ich schaffe es sogar noch mein Tempo zu steigern, weil mich auf den letzten 10 Kilometern der Ehrgeiz gepackt hat, unter 8 Stunden 30 Minuten zu bleiben. KM69: die letzten Steigungen sind bewältigt und die Stimme des Ansagers schallt bereits durch den Wald. 3 km können sich endlos hinziehen. Erneut setzt leichter Regen ein, doch selbst ein Hagelschauer könnte mir in meiner euphorischen Stimmung nichts mehr anhaben. Wie entfesselt laufe ich in Richtung Ziel, jedoch nicht ohne den Streckenrand nach meiner Freundin Yvonne abzusuchen, die heute ihren 5. Halbmarathon gelaufen ist. Kurz vor dem Ziel sehe ich sie und nach einer kurzen Umarmung überquere ich überglücklich die Ziellinie. Ich habe es tatsächlich geschafft! Noch vor einem Jahr, als ich zum ersten Mal auf die Internetseite des Rennsteiglaufes gestoßen bin, hätte ich es nicht für möglich gehalten, selbst mal an diesem Lauf teilzunehmen. Doch wenn man sich etwas fest vornimmt und an sich selbst glaubt, ist alles möglich! Überglücklich, Euer Oli |