Team Bittel
 

Italien, Gardasee, alleine Laufen zum Tremalzo-Pass hoch.  

Autor:  ErwinBittel   E-Mail: erwin@teambittel.de
Letzte Änderung: 26.06.2006 01:04:07

Wie sich Hilmar seinen Lauftraum erfüllt hat. Durch viel Natur, Begegnungen mit Kuhmeuten, Mountainbiker-Truppen und grandiosen Panorama-Blicken.

Gardasee - fast jeder kennt ihn, mancher liebt ihn, mancher hasst ihn. Ohne jeden Zweifel gehöre ich zu den Ersteren und das schon seit vielen Jahren. Zugegeben, wer den Gardasee an einem Sommersonnen-Ferientag das erste Mal besuchen sollte und mit der Vorstellung kommt, ein lauschiges Fleckchen am Seeufer zu finden, der dürfte sich aufs Tiefste enttäuscht sehen und nach einem möglicherweise noch überteuert lieblosen Restaurantbesuch dem See für immer den Rücken kehren. Schade, denn der See und vor allem das Umland bieten so viel mehr, wenn man es denn nur zu finden vermag.

Tremosine - eine Gemeinde von 18 Örtchen am Nordwestrand des Sees, von Campione am Seeufer, das Paradies für Surfer, Kiter und schaulustige Sonnenbader, über Pieve mit den "Schauderterassen" ca. 400m über dem See, bis nach Vesio, dem lieblichen Örtchen in 626m Höhe oberhalb des zauberhaften Brasa-Tales, mit dem Hotel Sole Hotel La Fenice. Hier treffen Urlauber und Einheimische im Bistro friedlich zusammen und der Espresso kostet noch 80 Cent ! Dieses kleine bezaubernde Örtchen in den Bergen hat es uns angetan und zieht uns jedes Jahr aufs neue in seinen Bann. Nicht zuletzt natürlich wegen der schier unendlichen Möglichkeiten, unserem Bewegungsdrang, ob Laufen, Walken oder Bergwandern zu fröhnen... Was kann schöner sein als in wunderbarer Landschaft, bei mediterranem Klima bergauf- und bergab zu laufen, dabei die Düfte des Sommers zu genießen und die Gedanken frei zu lassen?

Nachdem ich in den Vorjahren bereits so manche Strecke probiert und mich über das Valle di Bondo an den Passo di Nota in 1.208m Höhe gewagt hatte, war die Herausforderung - der Passo di Tremalzo - nur noch eine Frage der Zeit. Und 2006 war die Zeit reif !

Vesio: 626m, der Passo di Tremalzo mit der Bocca di Val Marza: 1.863m. Alles zusammen eine Gesamtstrecke von 40 Kilometern, wobei sich der Anstieg im wesentlichen auf die ersten 24km erstreckt, abgesehen von den letzten 2km, deren vergleichsweise moderater Anstieg mir allerdings als der mit Abstand "gewaltigste" in Erinnerung bleiben wird...

Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude und so freute ich mich schon Monate vor dem geplanten Urlaub auf das "beschaulich reizvolle Läufchen". Eine Wanderung in 2005 vom Passo di Nota zum Tremalzo über 9km und intensives Kartenstudium stellten die topografische Vorbereitung dar. Mein erster Marathon in Zeil am Main im November 2005 und der Rennsteigmarathon im Mai 2006 waren die Höhepunkte meiner körperlichen Vorarbeit.

Endlich war es soweit. Mit Beate fahre ich sonntags - dem Stau aus dem Wege gehend - von Ansbach nach Vesio. Vesio, schön wie immer, das Wetter könnte nicht besser sein. Montag erst einmal Shopping und Espresso-Genuss in Malcesine am See. Nachmittags ein kurzes Läufchen von Limone 8km hoch nach Vesio. Nur Straße, Asphalt, steil nach oben und schön warm. Ich liebe die Wärme.

Dienstag dann mein Lauf. Die Runde ist längst festgelegt: den Aufstieg beim Hotel in Vesio beginnend, über das Val di San Michele zur Malga Spiazzo, dann zum Passo della Cocca auf 1.461m und zum Refugio Garda auf 1.702m am Fuße des Tremalzo, bevor der Höhepunkt der Strecke die Bocca di Val Marza auf 1.863m ereicht wird und danach der Abstieg über den Passo di Nota nach Vesio beginnt.

Kleines Frühstück - eine Banane, eine Tasse Kaffee - und los gehts. Langsam, langsam und nochmals langsam, denn da soll einiges kommen. Nach den ersten Kilometern legt sich meine Nervosität. Alles läuft rund und immer leichter. Angesichts dessen, dass die ersten Kilometer nur wenig ansteigen und das Val di San Michele auf weiteren 4km zunächst einmal gut bergab verläuft, wohl auch keine wirkliche Leistung. Leistung wird aber nach einem kleinen Abstecher bei San Michele auf den falschen Weg mit der Markierung 222 statt 224 und einem damit fast erfolgten Lauf in die Irre, bald mit Vehemenz abgefordert. Jetzt gehts nämlich bergauf und das ganz gewaltig, 16km am Stück. Ja, und die geplante Rast und Wassernachfüllstation beim Refugio Garda ist noch weit.
Es belohnt eine tolle Landschaft mit Gerüchen wie sie nur der Frühsommer kennt und einem wahren Konzert unzähliger Vögel. Sonnige Stellen wechseln mit Schatten und Halbschatten des Waldes. Die Wärme tut mir gut und dennoch bin ich später froh, mich für mein Shirt mit kurzen Ärmeln entschieden zu haben, denn oben weht ein kühler Wind und in dem zu durchquerenden Tunnel ist es richtig frisch!
Ich laufe und laufe und treffe niemanden. Erst nach gut 15km taucht vor mir ein Mountainbiker auf, der mich überrascht anschaut. Offensichtlich sind Läufer eher eine seltene Spezies in diesen Bergen, was man von den Bikern kaum behaupten kann. Es erweist sich, dass der Biker ein netter Österreicher ist, der die gleiche Runde wie ich vor sich hat, allerdings mit der kleinen Ausweitung von/bis Limone. Nachdem wir festgestellt haben, dass Laufen schneller ist als Fahren - jedenfalls bergaufwärts - verabschieden wir uns mit einem sicheren Wiedersehen auf der Abwärtsstrecke.

Eine nächste Begegnung kündigt sich schon akustisch in Form eines beschaulichen Geläutes alpiner Kuhglocken an, bevor sich bei der Malga Spiazzo in 1.363m eine schöne Almlandschaft öffnet, in der dann tatsächlich eine “gefährliche” Meute wilder Kühe zu durchqueren ist, die allerdings von meinem Erscheinen derart überrascht sind, dass sie sich nicht entschließt zum Angriff überzugehen.
Viel gefährlicher für mein weiteres Vorankommen ist da schon der verlockende "Biergarten" bei der Malga Ciapa auf 1.615m. Aber nix is. Frisches Wasser und eine kleine Pause gibts erst 87m weiter oben bei der Rifugio Garda. Wie lecker doch frisches Wasser schmecken kann! Dazu ein erholsamer und toller Blick jenseits des Passo di Tremalzo.
Wer rastet, der rostet. Also weiter, noch 2km bis zum höchsten Punkt auf 1.863m bei der Bocca di Val Marza. Jetzt schon in dem höchst motivierenden Wissen, dass es danach über 14km talwärts geht.
Als ich mich gerade wieder in Bewegung setze, trifft auch der österreichische Biker am Rifugio ein. Ein freundlicher Gruß, der Abstand wird kleiner.
Bei der Bocca di Val Marza beginnt ein dunkler Tunnel, nach dessen Durchquerung sich spürbar milder die Südseite mit traumhaft schönen Ausblicken, später über das Valle di Bondo bis nach Vesio, öffnet.
Bis zum Paso di Nota bleibt die Strecke offen, steinig und fordert volle Aufmerksamkeit. Aber es läuft gut und zunehmend schneller - bergab. Kurz vorm Paso di Nota holt mich dann der Biker aus Österreich ein. Bergab hab ich da wohl keine wirkliche Chance, denke ich mir und füge mich in mein Läuferschicksal. Im Gegenverkehr sind jetzt viele Mountainbiker, die sichtlich mit den Strapazen des Anstieges, für viele schon in Riva oder Limone beginnend, zu kämpfen haben. Der freundliche Österreicher erklärt mir noch, dass die soeben Vorbeigefahrenen zur österreichischen Wintersport-Nationalmannschaft gehören, die ihr Sommertraining absolvieren. Es gibt wirklich keine Läufer außer mir, die sich diese tolle Strecke gönnen?
Nach dem Paso di Nota folgt bis nach Vesio eine schmale Asphaltstraße durch angenehm schattigen Wald mit unendlich vielen Kehren auf der es nun entspannt nach unten läuft. Hier nun die ersten und einzigen Anzeichen weiterer Läufer. Eine pausierende Mountainbikerin spricht mich an und fragt, wofür ich wohl trainieren würde. Da ich als Team-Bittel-Genußläufer kein weiterreichendes Trainingsziel als meine Freude am Laufen benennen kann, erklärt sie mir dann, dass ihr Ehemann von Limone aus über den Tremalzo wolle und dies als Training für den Swiss Alpin mache... Nun ja, da sieht man mal wieder, das jedes Ziel ein neues Ziel kennt.
Die letzten 5km verlaufen idyllisch im Valle di Bondo entlang eines kleinen Flusses durch schöne Wälder mit Grillplätzen am Wasser. Aber dann kommen die letzten 2km bis Vesio. Noch ein Anstieg! Heftig und das Letzte abverlangend. Doch verlockend die Aussicht auf eine Liege am wunderschönen und brandneuen Hotelpool mit Blick auf den Monte Baldo, den Gardasee und das gegenüberliegende Malcesine. Nur liegen, trinken und entspannen. Der Ort ist erreicht, noch einmal nach rechts abbiegen, eine leichte, letzte Steigung und endlich, nach 4:50 h geschafft, das Hotel ist in Sicht.

Beate sitzt mit Astrid, ihrer Erlebnis-Walking-Führerin im Bistro an der Straße beim Capuccino. Ein Stuhl ist noch frei. Meiner! Und dann mein größter Fehler des Tages. Ich bleibe sitzen. Damit bremse ich meinen auf vollen Touren laufenden Kreislauf plötzlich auf Null und wohl an seine Grenzen. Schnell in mein kühles Zimmer, auf dem bequemen Bett ausgestreckt und 1 Stunde später bin ich wieder Mensch und um eine wichtige Erfahrung reicher.

Abgesehen von diesem etwas abrupten Ende, weiß ich einmal mehr, dass Vorfreude keinesfalls die schönste Freude sein muss, denn: Laufen ist schöner!

Ich kann jedem, der Freude am Berglaufen hat, die von mir gelaufene Runde nur wärmstens empfehlen (Detail-Infos gerne über Erwin@Team-Bittel.de), zumal in Vesio ein wirklich tolles und dazu noch preiswertes Hotel (mit Pool und bald auch Sauna! - www.hotellafenice.it) zur Verfügung steht, das in jedem Falle mit der echt leckeren Halbpension gebucht werden sollte.

Übrigens bietet Vesio auch für begleitende "nur" Walker einen besonderen Leckerbissen: Das Cult-Walking Center von Astrid (www.cult-walking.it), die bei den von ihr geführten Erlebnistouren viel über Land und Leute zu erzählen weiß und dabei so manch wertvollen Tipp zum richtigen Walken parat hat. Beate war derart begeistert, dass wir am nächsten Tag gleich noch mal losgewalkt sind und dabei knapp 6 Stunden wie im Fluge vergangen sind.

Ciao, Euer Hilmar
 
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