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Weihnachtsmarathon Autor: JochenBrosig
E-Mail: Jochen.Brosig (at) yahoo.de |
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Weihnachtseinkauf: Einer der härtesten Ultras der Welt. Es ist vollbracht. Die härteste Herausforderung unserer Zeit liegt hinter mir. Ich habe es geschafft! | ||
Ich spreche hier nicht vom Rennsteiglauf, vom Swiss Alpine oder den 100 KM von Biel. Auch nicht vom Iron Man in Hawaii. Schwere Prüfungen für die besten Athleten der Welt und doch nur Kinderkram gegen eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: der vorweihnachtliche Shopping-Ultralauf. Hier sind die Frauen die uneinholbaren Rekordhalter! Vielleicht liegt es ja an der besonderen Ausrüstung: High-Heels, Push-ups und Feinstrumpfhosen sind nun wirklich nicht jedermanns (jeder Manns) Sache. Anfahrt, Parken und Abholen der Startunterlagen (Parkausweis) klappen reibungslos. So stehen wir an einem milden Dezembersamstagmorgen am Großparkplatz in Erlangen. Nervosität greift um sich, wie immer vor so einem Event. Doch wir sind hervorragend vorbereitet. Wir haben gut trainiert und die Ausrüstung ist perfekt. Unser Team hört auf den Namen „Rabattjäger“ und besteht aus: Gudrun, 39 Jahre, Teamchefin und Profishopathletin mit über 30-jähriger Erfahrung: Amtierende Bayr. Meisterin im Spontanschuhkauf. Rekordhalterin im Dauerfeilschen mit Verkäufern. Gewinnerin der 1. Mittelfränkischen Packmeisterschaften (4 Terassenstühle und 1 Holztisch inkl. diverser Zierpflanzen sowie ein Badschrank in einen Skoda Fabia). 1. Preis beim Fotowettbewerb der Polizei Erlangen „Miss Radar 2003“ und „Miss Radar 2005“. Goldener Einkaufswagen des deutschen Einzelhandels 2005. Jonas, 9 Jahre, Shopathlon-Nachwuchs mit großer Zukunft: Juniorenpreis der Ronald Mc Donald-Stiftung. Eintrag ins Guinnes-Buch der Rekorde für den Kauf der meisten Stofftiere innerhalb eines Jahres. Jochen, 40 Jahre, Altersklassen-Shopathlet mit Handicap (keine Kohle): Schützenkönig im PC-Abschießen. Goldene PIN 2004 im Geldautomatenleeren. Meisterprüfung im Fachbereich „Einkaufen-mit-ohne-Geld“. Inhaber des Wanderpokals „Rote Null“ der HypoVereinsbank. Unser Sommertraining war nicht ohne: Einkaufstüten schleppen, 300 kg schwere Einkaufswagen schieben. Die Ausdauer wurde auf Kinderbasaren und Trödelmärkten gelegt (4-8-stündige Aufenthalte mit Intervallen). Ein 24-Stunden-Training bei einer rund um die Uhr geöffneten Tankstelle schuf die Grundlage. Es war hart, Freunde! Doch nun soll es losgehen. Dafür habe ich trainiert. Dafür habe ich hart gearbeitet. Dafür habe ich das letzte halbe Jahr gelebt. 8.45 Uhr. Und schon geht es los! Wir überqueren den Parkplatz und laufen Richtung Bahnhof. Zielstrebig durchqueren wir die Unterführung und ordnen uns souverän an der Rolltreppe ein. Der Herr vor mir ist die Ruhe selbst: er hält die Postbank-Card in der rechten und murmelt die PIN wie ein Mantra vor sich hin. Ich nutze die Zeit für ein paar Dehnübungen: Geldbeutel auf, Geldbeutel zu, Geldbeutel auf….. Vorsicht Jochen! Ich muss aufpassen nicht in Trance zu geraten. Deshalb wollte ich doch in Zukunft alle Rolltreppen meiden. Schließlich ist längst erwiesen, dass man auf ihnen in einen gefährlichen Zustand zwischen Schlaf und Traum verfällt und erst wieder mit mehreren Plastiktüten an den Händen erwacht. Ich schaue meine Familie an: Gudruns Augen leuchten, Jonas strahlt. Hoffentlich ist alles o.k. Wir erreichen die Buchhandlung Thalia, die soeben geöffnet hat, schwenken aber sofort nach rechts und geben unsere ersten Euros beim Pizzastand aus. Direkt daneben die Kinderstube! Das fällt eindeutig in das Fachgebiet meines Sohnes: er saust durch die Stockwerke, testet die neuesten Playmobil-Angebote, kauft den Jeep zum Baumhaus und bekommt Gratis einen Ritter dazu. Klasse, Jonas! Nächstes Ziel: Schuhhaus Peppel. Wir trennen uns. Während Gudrun und Jonas sämtliche Schuhverkäufer beschäftigen, mache ich mich auf den Weg zurück zu Thalia. Ich kaufe das Buch „Denke possitiv“, „Entspannungsübungen – Mit der richtigen Atemtechnik den Streß vorbeugen“ und informiere mich, ob es dem neuesten Stephen King schon gibt. Voll bepackt kommen mir meine zwei Lieben entgegen. Gudrun hat ein wahnsinnig günstiges Kostüm ergattert. 300 anstatt 620 €. Ich merke an, der Preis sei zwar wahnsinnig, aber niemals günstig. Man schenkt mir mitleidiges Kopfschütteln. Jonas hat 2 Paar Halbschuhe des gleichen Modells. „Bei dem Preis mussten wir die nächste Größe auch mitkaufen. Er wächst ja so schnell raus, der Bub.“ 1 Paar Winterstiefel, 1 Paar Gummistiefel, Turnschuhe (2 Paar: Halle und draußen) und 1 Paar Sandalen (der nächste Sommer kommt bestimmt). Jetzt wäre eine Verpflegungsstation recht. Mich stupst ein Mann mit weißen Bart und roten Mantel an, ruft laut „Ho-ho-ho“ und ist schon wieder weiter. Gegenüber spielt der Drehorgelspieler „Schneeflöckchen“ während an der Ecke ein Geigenvirtuose „Jingle Bells“ anspielt. Die Zeit wird knapp, wir trennen uns nochmals. „16.00 Uhr am Auto. O.K.?“ „Na klar!“ Kurz darauf fällt es mir ein, ich brauch noch Geschenke für meine Familie. Da wäre der Kaufhof doch nicht schlecht, oder? Ein Haarfön mit eingebauter Kaffeemaschine (10-Liter-Tank) mit integrierten Geldspender für Gudrun (die 1-Liter-Kaffeetasse ist gratis dabei) und für Jonas das Beginner-Set „Tätowieren nach Zahlen“. Beim Beck am Bahnhof genehmige ich mir zur Beruhigung erst einmal ein Tomate-Mozarella-Fladenbrot und ein alkoholfreies Weizen, bevor ich weiter zum Auto hetze. Das Ziel! 16.10 Uhr und ich schaue in zwei genervte Gesichter. Ach, wie freue ich mich schon auf die kommende Saison mit Obermain-Marathon, Würzburg-Marathon und Wachau-Marathon? Schau mer mal was da kommt. Das kann ja richtig entspannend werden! Der Rest des Teams trainiert derweil für den Umtausch-Marathon nach den Festtagen. Doch da müssen sie ohne mich durch. Auf jeden Fall! Und dann stand noch der Aufbau des Weihnachtsbaums an. Aber das ist ein andere Geschichte, sie wird ein andermal erzählt. Ein regeneratives Weihnachten and run in a happy new year! Jochen Brosig Röttenbach, den 19. Dezember 2005 Großenseebacher Frühjahrsmeeting am 2. April 2006 |
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