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22.10.2005 - Albmarathon Autor: ErwinBittel
E-Mail: erwin@teambittel.de |
Alles Ultra beim Albmarathon. Ein Laufbericht von Jörg Ferlein |
Hallo! Lange schon hatte ich den Albmarathon in Schwäbisch Gmünd im Auge. Ein langer Lauf, viele Berge, viel Natur und fast vor meiner Haustür. 50 Kilometer. 1.100 Höhenmeter – das ist schon was. Mein erster Ultra-Volkslauf. Einige Wochen zuvor im Urlaub habe ich 55 km und über 2.000 Höhenmeter gemacht. Alleine. Bei über 30 Grad die Insel Elba durchquert. Den Albmarathon wollte ich aber gerne in einer kleinen Gruppe laufen. Langsam, entspannt, lächelnd durchs Ziel. Was liegt da näher, als die bekennenden Genuss-Läufer/-innen vom "Team Bittel" zu kontaktieren. So wurde der Ultra-Einstieg auch zum Einstieg in ein großartiges Team. Samstag, früher Morgen. Ein Blick aus dem Fenster genügt. Es wird ein Ultra-Tag. Sonne, angenehme Temperaturen und die Erwartung auf einen tollen Tag. Ich bin früh in der Halle und kann mich in Ruhe anmelden. Kurz vor neun treffe ich Erwin. Kenne ihn bisher nur aus dem Web, aber er trägt ja sein markantes Team-Cappy. Die Gruppe um ihren „Chef“ wird immer größer. Vielen Dank an alle, es ist schön, wenn man als Neuer so empfangen wird. Nach einigen Dehnungsübungen machen wir uns auf den Weg. Startort ist der schöne Marktplatz in Gmünd, ca. 1 Kilometer von der Halle. Unvermittelt treffen uns die ersten Regentropfen. Alle sind ein wenig enttäuscht, nachdem der Tag so sonnig begonnen hatte. Manuela zieht ihr Piratentuch aus der Tasche, Robert schwört auf seine Ferrari-rote Mütze, andere suchen den Schutz in provisorischen Ponchos aus Müllsäcken. Aber ganz so schlimm ist es auch wieder nicht. Nach wenigen Minuten ist es wieder trocken. Am Marktplatz Live-Musik, über 1.000 Läuferinnen und Läufer, viele Zuschauer, tolle Stimmung. Dann der Startschuss. Wir stehen ganz hinten. Nach einem kleinen Stau geht es auch für uns los. Getrieben vom Klappern der Walkerstöcke laufen wir locker durch die Straßen der Stadt. Ich trage eine kleine Gürteltasche, aber ohne Flasche drin. Ein Laufkollege weist mich darauf hin. Ich erkläre ihm kurz den Inhalt und er empfiehlt mir den bekannten gehäkelten Hut. Schön, wenn man ohne Stress starten kann. Nach den ersten paar hundert Metern wird es ruhiger und wir erreichen den Stadtrand und die Natur. Ich laufe mit Manuela in einem lockeren Trab. Wir unterhalten uns über alles Mögliche, sie erzählt vom Rennsteig, wo sie dieses Jahr den Supermarathon gelaufen ist, ich von meiner Tour in Elba im Sommer. Die ersten Kilometer durchs Beutental vergehen wie im Flug. Viel zu schnell. Nie war ein Volkslauf schöner. Manche mögen ihn als harten Tempolauf bestreiten, wir jedoch genießen jeden Meter. Hin und wieder schauen wir uns um, wo die anderen der Gruppe bleiben. Sind wir bei aller Begeisterung doch zu schnell? Plötzlich schießt Erwin an uns vorbei, wie die blaue Rakete. Mit ausgestreckten Armen baut er sich vor uns auf und bremst uns aus. Braucht er eine Erholung, nach seiner Aufholjagd? Sicher nicht. Aber er sieht sich als Hirtenhund und will die Herde zusammenhalten. Recht hat er. Den Anstieg zum Wäscherschlösschen und vorbei an den wunderschönen Fachwerkhäusern am Wäscherhof nehmen wir im zügigen Wanderschritt. Unterwegs verstärken uns noch Sandra und Frank, die Erwin auch aus dem Internet kennen. Der Aufstieg vorbei am Wäscherschlösschen zum Wäscherhof Die gut bestückte Verpflegungsstation am Ortseingang von Wäschenbeuren dient uns als erster Sammelplatz. Mit prächtiger Aussicht zu den Kaiserbergen, dem Hohenstaufen und auch weiter zum Rechberg und Stuifen. Ich genehmige mir einen super guten Müsliriegel – vom Bäcker gemacht, keine industrielle Massenware. Wir gratulieren noch der Susanne zu ihrem heutigen Geburtstag und machen uns ohne Hektik und Stress auf den Weg. Links der Rechberg, hinten der Stuifen und rechts unser erster Berg, der Hohenstaufen Gemeinsam geht es durch Streuobstwiesen und einen kleinen Wald über den am Ende doch recht steilen Weg zum Gipfel. Ich lasse die Füße rollen, Erwin „der Bremser“ ermahnt mich immer wieder. Ich nehme es ihm nicht übel, im Gegenteil. Wir laufen in der Gruppe und erreichen gemeinsam den Berg. Dort oben genießen wir die herrliche Aussicht. Nach Westen über Rems- und Filstal zu meiner Heimat, dem Schurwald. Südwestlich die Hänge der schwäbischen Alb mit den Burgen Teck und Hohenneuffen (da gibt es übrigens einen schönen Berglauf) und weit weg die Achalm bei Reutlingen. Im Nordwesten der Welzheimer Wald. Die Burg Hohenstaufen wurde hier als Stammsitz der Staufer im 11. Jahrhundert erbaut. Nach einem Brand im Bauernkrieg im 16. Jahrhundert sind heute nur noch wenige Grundmauern zu sehen. Nun geht es steil, aber auf ganz gutem Weg bergab. Wir laufen vorsichtig und schonen die Gelenke. Weiter geht es zum zweiten großen Ziel, dem Rechberg. Leicht welliges Gelände, ein guter Weg, wir kommen wieder in einen schönen Trott. Nächste Verpflegungsstation. Nun gibt es auch Hafertrank, roter Tee mit Schmelzflocken. Das tut gut. Ich kenne die Gegend hier und den Aufstieg zum Rechberg gut, genieße die Aussicht, das lockere Laufen, die netten Leute um mich herum. Beim Aufstieg zur Burgruine Hohen Rechberg kommen uns die „25er“ nach getaner Arbeit entgegen. Am Gipfel des Rechbergs war für sie das Ziel erreicht. Die Ruine Hohenrechberg auf „halber Höhe“ Sie tun mir etwas leid, müssen schon aufhören. Eine ältere Frau meint es einige Meter vor dem höchsten Punkt gut mit uns: „Gleich seit ihr im Ziel, dann habt ihr es geschafft“. Ich will kein Ziel, kein Ende. Wir bleiben kurz oben stehen, schleimen wieder etwas Hafertrank und machen uns auf zur zweiten Hälfte. Manuela, Sandra + Frank, Erwin und ich. Etwas über 3 Stunden sind wir nun unterwegs. Die ersten wohl schon auf der Schlussetappe. Den Abstieg hinunter nach Rechberg, dann ein kurzes Stück Straßenlauf und schon geht es links ab zum Stuifen, dem dritten und mit 757 m höchsten Kaiserberg. Wir umrunden den Berg etwas unterhalb des Gipfels. Auf der Ostseite geht es steil bergauf, dreckig und rutschig. Ich erinnere mich an die Schilderung eines Freundes, der hier auch schon auf allen Vieren gekämpft hat. Wir können uns gut vorstellen, wie dieses Stück bei Regen schnell zu einer Schlüsselstelle des Laufs werden kann. Erwin schildert kurz seine Erinnerungen an den Ho-Chi-Minh-Pfad in Biel (100km-Lauf). Noch schlimmer als hier und dann auch noch bei Nacht. Ich denke kurz an Werner Sonntags Worte: „Irgendwann musst du nach Biel“. Das war für mich immer ein Stück Motivation für Ultra-Marathon. Einmal dort hin, einmal die Nacht der Nächte erleben. Nun bin ich mir nicht mehr so sicher. Zu schön ist es hier in der Sonne und Biel rückt in immer weitere Ferne. Erwin beginnt unsere Überholmanöver zu zählen. Wir alufen wie gewohnt weiter und rollen gemächlich das Feld von hinten auf. Schnell lassen wir das erste Dutzend Läuferinnen und Läufer hinter uns. Plötzlich rast ein gelbgrüner Rennhamster an uns vorbei. Im steil abfallenden Schotterweg gibt er alles. Einige Meter zuvor noch ziemlich müde, bringt er nun die eigene Masse in Schwung. No risk no fun, oder was? So kann man (Mann) sich auch kaputt machen. Wir wundern uns über den noch sehr jungen Läufer und laufen langsam weiter zur Reiterleskapelle und zum Schwarzhorn. Der letzte Dreiviertelberg, wie es Erwin ausdrückt. Wir laufen direkt auf einen wunderschön gefärbten Herbstwald zu. Auch nach 32 Kilometer verliert der Albmarathon keinen Reiz. Der Blick zurück zum Stuifen, rechts die Reiterleskapelle mit der 350 Jahre alten Linde Wir unterhalten uns über alles Mögliche, Erwin erzählt kilometerlange Witze und wir überholen auch wieder den gelbgrünen Hamster, der schon sehr fertig aussieht. Es folgt eine kurze Wendepunktstrecke, wohl um die 50 Kilometer voll zu machen. Anders ist dieser kleine Abstecher nicht zu erklären. Noch eine Versorgungsstation – wie immer gut bestückt. Manuela und ich lassen den Hafertrank mit einer Zusatzportion Schmelzflocken anreichern. Nun ist der rosafarbene, lauwarme Schleim perfekt. Sicher nicht jedermanns Sache. Erwin fragt, ob es heuer auch wieder gesalzenen Tee gibt? Auch nicht jedermanns Sache. Aber wir wissen ja, was unser Körper will und verträgt. Ich denke an die armen Mädels, die an allen Versorgungsstationen unermüdlich ihr Lift-Apfelsaftschorle loswerden wollen. Es muss schon ein wenig frustrierend sein, wenn die Läufer einen schleimigen Hafertrank vorziehen. Los geht es zum großen Abstieg, hinunter nach Waldstetten. Landschaftlich sehr schön, aber lang und steil bergab, nicht gerade mein Traum. Entgegengesetzt wäre es mir viel lieber. Ich horche mal in mich hinein, keine Schmerzen im Knie und auch die vom Senk-Spreizfuß arg strapazierten Zehennägel spüre ich nur leicht. Hoffentlich ist es unten auch noch so. In Waldstetten die nächste Versorgung. Diesmal sogar mit Kuchen. So gestärkt laufen wir durch die Straßen, immer am Fuße von Rechberg und Stuifen. Oft fällt mein Blick auf die Wallfahrtskirche auf dem Rechberg. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir von da oben heruntergeschaut haben. Ein letzter Aufstieg bei Kilometer 42/43 führt uns schließlich nach Strassdorf. Die letzte Etappe beginnt. Auf einem leicht abfallenden Radweg einer früheren Eisenbahntrasse überholen wir noch drei Swiss Alpin Finisher und laufen vorbei an der urigen Kneipe im alten Südbahnhof. Wir kommen zurück nach Schwäbisch Gmünd. Die letzten Kilometer ziehen sich. Manuela denkt an die Waldwege am Rennsteig, der Asphalt unter den Füßen ist nicht so ihr Ding. Sandra hört schon den Stadionsprecher, weit kann es nicht mehr sein. Über die Brücke, noch einige Meter der Rems entlang. „Noch 500 m“, motiviert uns ein Streckenposten. Und schon laufen wir in die wunderschöne herbstliche Schwerzer-Allee. Links und rechts große Haufen goldgelbes Laub, vor uns das Ziel. Der Sprecher ruft unsere Namen aus, am Straßenrand sehe ich meinen Sohn. Ein lautes „Papiii“ und wir laufen nach 6 Stunden und 19 Minuten gemeinsam durchs Ziel. Lächelnd, zufrieden und auch etwas müde. Vielen herzlichen Dank an Manuela, Sandra, Frank und natürlich Erwin. Ihr habt ganz wesentlich dazu beigetragen, dass dies mein mit Abstand schönster Volkslauf war. Früher mal, vor vielen Jahren, da war ich viel schneller unterwegs (Marathon unter 3 Stunden, Halbmarathon knapp über 1:20). Aber heute hatte ich viel länger viel mehr Spaß am Laufen. Bedanken muss man sich aber auch beim ausrichtenden DJK Schwäbisch Gmünd für eine perfekte Organisation, den guten Draht zum Wettergott und die Versorgung auf der Strecke. Auch für uns langsamere Läufer war immer genug da und auch nach Stunden wurden wir noch freundlich von netten Helferinnen und Helfern begrüßt. Toll. Albmarathon 2006 – hoffentlich sind wir alle wieder dabei. Ein großer Dank gilt auch meiner Familie. Sie haben mich am Samstag und in der Vorbereitung toll unterstützt, viel Verständnis aufgebracht und letztlich auch Stunden auf mich gewartet. Jörg PS: Leider hatten wir beim Lauf keinen Foto dabei. Die Bilder entstanden einige Tage später, als ich die Strecke - zugegeben teils mit Auto - nochmal genossen habe. |