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Aufgeben ist keine Schande! - E-Mail-Coaching Berlin Marathon Autor: JochenBrosig
E-Mail: Jochen.Brosig (at) yahoo.de |
Falscher Ehrgeiz - Er hätte nicht starten dürfen. An alle Marathon-Einsteger: lest es. Das ist nicht der Geist der Idee "Team Bittel"! |
Hallo! Plötzlich war ich Coach... „Hi, ich bin auch Läufer, habe mit Interesse Deinen Bericht gelesen und ein paar Fragen. Gruß Marius“, so las ich im August in einer E-mail. „Frag´ doch einfach! Gruß Jochen“ Man ist ja als Läufer immer stolz, wenn man nach ein paar Tipps aus seiner Trickkiste gefragt wird. Oder, geht es Euch nicht so? Eben, mir nämlich auch! Marius läuft seit zehn Jahren mit 11 Marathons am Buckel und einer Bestzeit von 3:27 Std. Und die will er in Berlin knacken. (Was für ein Zufall, wo ich doch auch in Berlin laufen will.) Soll ich Kohlehydrate zuführen? Lieber Bananen oder Iso? Oder ob ich weiß, wie man den Mann mit dem Hammer überlistet? Ist es besser gleich loszudüsen oder sollte man erst langsam angehen? Ich stand fleißig Rede und Antwort und es entwickelte sich ein reger Mail-Schriftverkehr mit Vorbereitungs- und Trainingstipps. Immer wieder standen wir in E-mail Kontakt. Der Berlin-Marathon rückte immer näher. Es war interessant und auch eine Ablenkung für mich, von den Trainingsfortschritten und der Vorbereitung von Marius zu hören. Er war echt gut drauf und 3:15 h müssten für ihn drin sein, dachte ich mir. Und dann waren es noch 3 Tage. „Hallo Marius, langsam kribbelt es. Ich weiß, ich bin gut trainiert und meine Trainingswerte sind optimal. Ich hoffe Dir geht es ebenso! JA?! Also dann kann es los gehen !! Du bist gut drauf, hast das ganze Jahr viel trainiert und in den letzten Wochen den Feinschliff gemacht. Deine Ziele sind realistisch – Du packst es!!!“ „Hallo Jochen, ja, los soll es gehen. Ich bin gespannt, wie es läuft. Viel Erfolg“ So lief es dann letztendlich am 28.09.03. in Berlin: neue Bestzeit! Aber lest selbst: „Lieber Jochen, gratuliere und ziehe den Hut. Echt toll, was Du geschafft hast. Ich habe ein lachendes und ein weinendes Bein. Weinend, weil ich nicht in den Bereich meiner erhofften Zeit (um 3:15) gelaufen bin. Lachend, dass ich trotz einer Darminfektion immerhin mit 3:20 Std. ganze 7 Minuten unter der bisherigen Bestleistung blieb. In Kürze: am Tag vor dem Marathon ging´s mir so richtig schlecht, die schon längere Zeit latente Infektion schlug durch und ich hing ziemlich rum. Konnte die Nacht nicht schlafen wegen Hitze, Sch.... und Aufregung und bin am Sonntag ziemlich matt zum Start. Mein Ruhepuls war schon 20 über normal und beim Laufen stieg er gleich auf eine Frequenz, bei der ich normalerweise die 1000 m unter 4 Minuten laufe, um dann nach 3 Intervallen sauer zu sein. Hätte ich nach Plan auf meinen Marathonpuls runtergebeamt, wäre ich gestanden. Subjektiv hatte ich aber nicht das Gefühl mit dem zu hohen Puls zu überpacen und so lief ich in dem Bereich, achtete aber darauf nicht höher zu gehen. Unterwegs ereilten mich aber dann doch Bedürfnisse, Bauchkrämpfe und schließlich eine Durchfallattacke, die mich aus dem Läuferstrom ausscheren, in das Kellerloch einer Hardrock-Punkkneipe einlaufen und dann am stillen Örtchen auslaufen ließ. Danach ging´s mir zwar zittrig, aber besser und ich versuchte stur, im Schnitt zu bleiben, visierte ab KM 20 eine Zeit knapp unter 3:20 an. Der Schnitt stimmte auch bis KM 36, dann wurde ich langsamer. Tröstlich, ich habe von meinem Training eine unerschütterliche Zähigkeit mitgebracht und konnte auch in diesem Durchhänger den Tempoverlust im Erträglichen halten. Ab Kilometer 41 überholte ich nur noch, das Feld schien zu stehen und ich flog irgendwie ganz froh ins Ziel. Danach kam das große Zittern und eine Erschöpfung und Ausgelaugtheit, wie nie zuvor. Aber nicht vom Laufen, sondern einfach als Folge meiner körperlichen Angeschlagenheit“. Soweit Marius in seinem Bericht. Auch hier noch einmal: Meine Gratulation zur neuen Bestzeit, Marius! An dieser Stelle muss ich noch einmal deutlich ansprechen: Marius hätte nicht starten dürfen! Bei allem Respekt vor seiner Leistung! Allen erfahrenen Läufern brauche ich das nicht zu sagen. Ich will hier alle Neueinsteiger ansprechen. Ich weiß es ist schwer, wenn die Startgelder bezahlt sind, die Hotelzimmer gebucht und wie in Marius Fall, man sogar schon angereist ist. Sehr, sehr schwer!!! Ich weiß aus eigener, bitterer Erfahrung. Ich habe ihn auch schon gesehen. Ihn den Schrecken aller Marathonläufer, das Spukgespenst, die Legende, Freitag der 13. lässt grüßen: Den Mann mit dem Hammer. Ich bin auch weiter gelaufen. Doch das war falscher Ehrgeiz!! Richtige Stärke beweist der Läufer, der hier absagt oder, wenn er überhaupt startet, einen lockeren Trainingslauf daraus macht und die Atmosphäre genießt. Was nützt eine neue Bestzeit, wenn man hinterher im Krankenhaus landet? An Schlimmeres will ich gar nicht denken. Gott sei Dank, ist hier nichts passiert! Berlin liegt sehr früh in der Herbstsaison und es wäre leicht möglich gewesen z.B. 4 Wochen später in Frankfurt zu starten. Ich bin froh, dass Marius so gut durchgekommen ist, vor allem gesund. Die Zeit ist mir nach der Schilderung nicht wichtig. Lest dazu den gleich lautenden Artikel in der Runner´s World Ausgabe November auf Seite 4. Also, Ihr Newcomer da draußen bitte lesen, lernen und handeln! Bleibt gesund, habt Spaß und kommt lächelnd ins Ziel! Das ist doch der Gedanke „Team-Bittel“, wie ich ihn verstanden habe. Keep on running and smiling! Jochen |