Team Bittel
 

Running through all night 13./14.09.2003, 100 km Winterthur  

Autor:  Gabriele Schwind   E-Mail: evego@netcologne.de
Letzte Änderung: 20.09.2003 02:23:51

Mein erster 100er,
2.Self-Transcendence 100 km - Lauf in Winterthur /Schweiz, veranstaltet vom Sri Chinmoy Marathon Team
So langsam verblassen die frischen Eindrücke schon, die euphorische Stimmung.

Begrüßt wurde unsere Ankunft zwei Stunden vor dem Start um 22°° Uhr mit Blitz und Donner, heftigem Regen. Wetteronline hatte das Gewitter für den Nachmittag versprochen. Naja, um 21°° Uhr war alles vorbei und so sollte es bleiben. Es wurde eine wundervolle Nacht.

Wir waren nur elf, davon vier Frauen, die sich diesen Lauf durch die Nacht vorgenommen hatten, außer mir alles Ultra-Erfahrene.

Nachdem jeder Einzelne persönlich begrüßt und vorgestellt worden war, schickte man uns in die Dunkelheit, die 42 Runden auf dem 2,4 km langen Rundkurs.

Ich lief hinter der kleinen Gruppe der führenden Männer und sah ein, daß deren Tempo eigentlich viel zu schnell für den Anfang war. Ich wurde langsamer und nach der ersten Runde lernte ich Friederike kennen, die der Einsamkeit des Langstreckenläufers wohl zu entfliehen suchte.

Wir plauderten, hatten viel zu erzählen, liefen gemeinsam entlang der liebevoll aufgestellten Lichter und Fackeln beidseitig des schmalen Asphaltweges. Wie Lichter der Startbahn einer Flugzeugpiste gaben sie das Gefühl, jeden Moment abzuheben. Der Mond, fast noch voll, mit fahlem Schein, tat sein Übriges.

Fast einen halben Kilometer lang zog sich in der Mitte des Weges ein Band mit sich ständig verändernden Mustern, schachbrettartig, sich konisch zuspitzend und wieder auseinanderfließend. Sie gaben der Eintönigkeit der Runden willkommene Abwechslung. Schüler des nahegelegenen Schulzentrums hatten den Weg mit Asphaltmalerei gestaltet.

Vor der Wendekurve im unteren Streckenbereich begleiteten uns sphärische Klänge von hellen, sanften Mädchenstimmen mit Gitarren und leisen Trommeln.

So vergingen die ersten 54 km ruhig, ohne Anstrengung, mit Gehpausen.

Ich trank viel, schwitzte kaum, hatte Friederike auch nach lästigen Pausen schnell und ohne Mühe wieder eingeholt.

An der Verpflegungsstation stand Horst, in jeder Runde geduldig wartend, irgendwann dick eingemummt mit Mütze und Schal, es musste kalt geworden sein. Er war glücklich, dass die Gasflaschen in unserem Bus wohl doch funktionierten, versprach mir stolz die warme Dusche.

Ich aß und trank fast in jeder Runde. Die Verpflegung war vielfältig und ich probierte auch das Chi. Irgendwann bot man mir eine Mineralienmischung in Tablettenform an. Jede Runde wurde sorgfältig dokumentiert und von einem persönlichen Rundenzähler überwacht.

Die kurze Zeit der Dämmerung ließ den Tag sehr schnell anbrechen. Plötzlich war es hell und endlich konnte man erkennen, was in der Nacht nur zu erahnen war. Die Strecke hatte sich verändert, die Asphaltmalerei ihre Wirkung verloren, die Aufmerksamkeit richtete sich auf das Wahrnehmen der Umgebung, die Blumen in den Gärten, die Frühaufsteher: Hunde und ihre Begleiter, Fahrradfahrer, Freizeitsportler.

Noch zehn Runden, wir liefen immer noch gemeinsam, überholten oft Emil, der mit 70 immer noch durchhielt. Wir erfuhren, dass eine der Frauen nach 51 km aufgegeben hatte und zwei der Männer, als sie merkten, dass sie ihre geplante Endzeit nicht erreichen würden.

Dann irgenwann blieb Friederike an der Verpflegungsstation zurück und ich merkte später, dass sie Probleme haben musste. Ich lief weiter und erwartete, dass sie wieder aufholt, aber sie kam nicht.

So wurden die letzten Runden einsam. Nur zwei Marathonläufer waren um 8 Uhr gestartet und später lief ich durch die Startergruppe der HM-Läufer.

Noch vier Runden, die ich auch weiter ganz gemütlich nahm. Ich achtete kaum auf die Zeit , sie war mir gleichgültig. Ich wusste, ich komme an, ohne grosse Erschöpfung, ohne Probleme mit der vorher so schmerzenden Ferse und fühlte dann am Ende, ich hatte immer noch Reserven.

Trotzdem, wie Wohltat war die Dusche und dann erst die Massage.

Dann die Siegerehrung. Emil lief noch, kam gerade rechtzeitig vorbei und musste mit aufs Foto, schliesslich war er vermeintlicher Sieger seiner Altersklasse und ich wusste, er schafft es auch.

Und ich weiss, auch ich werde es wieder tun, so einen Lauf durch die Nacht.



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[team/fuss.htm]