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02.08.2003 - 1. Rostock Marathon Nacht Autor: ErwinBittel
E-Mail: erwin@teambittel.de |
42,195 Grad und 3:13 Std. Anfahrt – Bis zum Start verdunstet. |
Hallo! Wer von Hamburg nach Rostock zum Marathon Laufen fährt heute kann es bestätigen: 42,195 Grad Hitze (oder annähernd) und 3:13 Stunden Fahrtzeit (mehr oder weniger - eher mehr). Ich will damit sagen, dass der Marathon schon hinter mir ist, als ich mittags ankomme. Ich lege mich erstmal regungslos in den nächstmöglichen Schatten. Endlich kommt ein kleiner Windhauch auf. Es ist 14.00 Uhr, drei Stunden vor dem Start. Rostock. Ich blicke über den Fluss. Irgendwie verfliegen (oder verdunsten) die 3 Stunden bis zum Start, denn als ich mich gemächlich umziehe sagt Birgit locker: „Schau mal bitte auf die Uhr“. Waaaah, zwei Minuten vor dem Startschuss! 16:58 h. Sch... - Schocke in der Hand, Schtartnummer und Schirmmütze schuchen, Schuhe anziehen. Sch... - Handgelenk-Chip dran? Körperpflege, Gymnastik - vergiss es! -*Pause* - Durchatmen! Hey, was soll’s? Gut, äh, dann also, tja, ähem... Lass uns zum Start traben. Was auch sonst? Kopfschüttelnd aber doch lachend laufen wir beiden mutterseelenallein an der Uferpromenade „Stadthafen“ entlang und erwarten schon den uns entgegenstürmenden Läuferpulk. Nichts. Irgendetwas hält ihn noch auf, bis wir den Sprecher hören können: Sieben-sechs-fünf, ich verabschiede mich von Birgit, vier-drei-zwei, ich erreiche das hintere Ende des Starterfeldes, eins-Knall-Start, ich stehe an der Backsteinwand und suche nach einem Einstiegsloch. Ich bin Drin! So sind die ersten Kilometer in der Menge nur ein Mitschwimmen ohne Nachdenken. Die Schieber und Slalomläufer lasse ich ziehen. Ich beobachte die Szenerie, das Publikum, das riesige, schöne Schiff am Kai (wir Bayern kennen doch keine so großen Schiffe). Hitze lass mich so lange wie möglich in Ruhe! Ich werde auch so cool wie möglich laufen. Wechselnder Bodenbelag, staubender Schotter, Asphalt, Pflastersteine, Betonplatten. Ich danke meinem Puls, dass er cool bleibt. Schon nach wenigen Minuten die erste Stehbar (heißt stehen und trinken). Ich bleibe immer stehen. Wasser ohne. Gut! Und langsam löst sich der Stau. Ich komme in meine Schwingung. Meine Schrittlänge. Mein Tempo. Keine Ahnung wie schnell ich bin, entdecke das erste km-Zeichen (km3) am Boden erst jetzt. Na, dann laufe ich mal weiter. Und weiter und weiter. Die wenigen Gedanken, die mir kommen verpuffen schnell wieder. Ab und zu blicke ich einem paar Zuschaueraugen nach, klatsche Kindern die Hände ab. Wieder trinken, Wasser-Wasser-Wasser. Km10. Hey, so fern der Heimat entdecke ich doch ein bekanntes Gesicht. Gottfried, der „Star der Sahara“, bewundernswerter und lockerer Altersläufer. „Yul Brunner“ sage ich zu mir, denn an ihn erinnert er mich optisch mit seiner „Frisur“ und dem Lachen. Hey, schön Dich zu sehen! Wir unterhalten uns fünf Minuten, einen km lang vielleicht. Ein paar Worte. Dann ziehe ich langsam weiter. Wir werden uns im Ziel sehen. Sicher. Die Versorgung ist gut in der ersten Hälfte. Die km-Markierung auch. Ich bemerke, wie der ständig wechselnde und oft unebene Untergrund an meinen Füßen nagt. Die Hitze sowieso. Dann der kühlende Tunnel, ahhh! Mittlerweile bin ich alleine, treffe nicht mehr auf viele Läufer um mich herum. Und jetzt komme ich durch das Seitentor in den Genuss einer Gratis-Führung durch das Areal der IGA: Internationale Garten Ausstellung Rostock live am Samstag Abend. Vorbei an Teichen, stilvoll geschnittenen Büschen, Blumenbeeten, trabe ich über Brückchen und Stege, staunendes Besucherpublikum applaudiert. Hey, fast verlaufe ich mich in diesem Labyrinth der Wege und Ecken. Eine willkommene Abwechslung auf meinem doch einsamer werdenden Weg. Manchmal weht ein Windchen von der Seite. Schön! Immer wieder überhole ich jemanden, der der Hitze unterlag. Es sind dies schon viele, und fing schon bei km15 an. Jetzt km25: ein ödes Wohngebiet nach dem anderen. Keine geniale Laufkulisse. Null Publikum und vorbei an parkenden Autos, über Gehsteige, um Kurven und Ecken. Oft bin ich mir nicht sicher, ob ich auf dem richtigen Weg bin, bis ich endlich dann doch wieder einen der roten Pfeile auf dem Asphalt sehe. Km30. Für wenige Meter begegnen wir den anderen Läufern von weiter hinten. Ich grinse mich mit einigen davon vielsagend an. Langsam werden die Verpflegungsstellen dünner, kommt mir vor. Ich laufe weiter konstant mein Tempo. Mir fällt nichts besseres ein, als auszurechnen wann ich im Ziel sein würde, ob es da wirklich schon Nacht ist? „Marathon.Nacht“ heißt es ja heute. Nein, ich werde mit Sonne einlaufen. Einlaufen müssen, denn langsam wird die Hitze doch lästig. Km35. Es könnte jetzt zuende sein. Wirklich. Es ist heiß, ich sehe niemanden, fast kein Publikum, es ist langweilig. Mir ist langweilig! Hey, wo ist die Samba-Band? Na gut, laufe ich eben weiter. Irgendwie ziehen die Kilometer sowieso unaufhörlich an mir vorbei. Km38. Ich werde falsch geleitet, muss abrupt abbremsen, um wieder auf Kurs zu sein. Ich spüre ein reibendes Drücken im Magen. Hey, ich habe heute noch nichts gegessen außer einem Apfel! Na, das werde ich sofort nachholen. Im Ziel. Wann kommt endlich das Ziel? Km40 lese ich nicht. Ey, der muss doch schon gewesen sein. Oder? - Das erste Publikum wieder, km41, mehr Publikum, Massen, Klatschen, tosender Applaus... Ja, da bin ich wieder wach! Und endlich im Ziel. Ich lasse mich erst einmal treiben, Medaille umhängen, Miniurkunde in die Hand gedrückt, T-Shirt geben lassen, Strohballen liegen herum, das Publikum ist heftig. Irgendwie kommt es mir vor, als wären noch nicht viele Läufer im Ziel. Der Zettel klebt verloren in meiner Hand. So, jetzt erst einmal drei Eimer Wasser leeren. Joj war das warm! Und jetzt merke ich auch: sehr fußermüdend. Nicht nur wegen dem heißen, sondern vor allem auch wegen dem unebenen Untergrund. Bananen, Iso, Wasser, Äpfel, Cola, Saftschorle. Gut. Und sehr freundlich und hilfsbereit sind die orangefarbenen Helfer. Wirklich. Schon gut gemacht! Ich kann nicht viel essen, mein Magen rebelliert. Mir wird etwas übel. Ich will mich setzten, doch es gibt keine Sitzgelegenheiten. So mache ich allmählich das was ich immer mache, Gymnastik, Dehnen, still in mich gehen, den Lauf noch einmal nachfühlen. Zusammenfassend: Viel Hilfspersonal sperrt die Strassen vorbildlich ab, weist hingebungsvoll den Weg. Danke, denn so einfach ist es nicht immer, diesen Parcour mit Slalomeinlagen zu laufen. Die Strecke ist in der ersten Hälfte bis zum IGA-Gelände abwechslungsreich, dann eher eintönig bis fade. Manche Ecken, scharfe Kurven und Kanten sollten nächstes Jahr weggelassen werden. Und wenn die Rostocker Hanseaten im nächsten Jahr genauso engagiertes Publikum sind wie die Hamburger Hanseaten, dann macht es richtig Spaß hier! Vorausgesetzt es sind nicht wieder 42,195 Grad! Bayern grüßt Hanse, habt ihr gut gemacht! Erwin vom „Team Bittel“ Infos: 687 Marathon-Finisher (davon 12% Frauen) 647 Halbmarathon-Finisher (davon 30% Frauen) Offizielle Seite |