Team Bittel
 

Verirrungen in Shimanos Reich  

Autor:  JochenBrosig   E-Mail: Jochen.Brosig (at) yahoo.de
Letzte Änderung: 09.07.2003 16:42:32

Wenn Läufer Fahrrad fahren...


Hallo!

Der Rennsteig ist geschafft, eine neue Bestzeit ziert das Lauftagebuch (kein Wunder war ja der erste Ultra), und in wenigen Wochen beginnt die Urlaubszeit. Schon bald kribbeln mir die Füße. Vor allem, weil ich mich so gut fühle. Kein Muskelkater oder sonstige Beschwerden und schon am übernächsten Tag hätte es bei mir wieder weiter gehen können. Aber STOPP, immer langsam. So verringere ich mein Laufpensum extrem und komme mir vor wie ein Formel 1-Wagen den man im Schritttempo durch die verkehrsberuhigte Zone fahren lässt.

Nun ist erst einmal die Familie dran! „Denkste“, sagt meine Gudrun, „jetzt kommt er vom Computer nicht mehr weg!“ Ist aber auch kein Wunder bei den Glückwunsch-eMails, die tagtäglich bei mir eingingen. Ich kam mir vor wie Daniel Kübelböck beim Lesen seiner Fanpost. Danke!

Nochmals allen die mir die Daumen gedrückt und mitgefiebert haben herzlichen Dank! Das gibt Auftrieb für neue Taten. Da spukt mir schon etwas im Kopf herum, aber es muß erst noch reifen...

Aber, was jetzt? Hinaus in Wald und Flur und mit herrlich langsamen Läufen und einem Lächeln im Gesicht den hechelnden Laufkameraden zeigen was Dr. Strunz immer predigt? Oder gleich den nächsten Marathon anvisieren und rennen bis die Sohlen brennen? Vorsicht!

Zunächst beschließe ich, meine Hausstrecke einfach mal nackt zu laufen, ohne Herzfrequenzmesser. Schönes Gefühl!
Ganz wichtig ist es auch sich zu belohnen, wenn man etwas erreicht hat. Gedacht, getan und schon führt mich mein Weg zu unserem Fahrradhändler in Röttenbach. Schon seit einigen Samstagen blieb ich vor dem Schaufenster stehen, wie ein kleiner Junge kurz vor seinem Geburtstag oder Weihnachten.

Ein Cross-Rad sollte es sein, etwas für Wald und Flur, aber nicht für Down-Hill und trotzdem schnell auf Asphalt, aber kein Rennrad. Nach zwei Testfahrten ist es entschieden, mein Geldbeutel leer und unser Keller wieder etwas voller. Aber ist schon ein geiles Gerät! Die Augen glänzen! Papa hat ein neues Spielzeug!

Es ist Samstag! Wie habe ich dieses Wochenende herbei gesehnt! Und herrlichstes Wetter. Mit kurzen Tights, mein Rennsteiglaufshirt spannt stolz über meiner Brust, und mit Helm bewaffnet gehe ich in den Keller. So hol ich nach getaner Hausarbeit mein Bike an die frische Luft und schwing mich auf den Sattel. Getreu dem John-Bon-Jovi-Motto, „I´m a cowboy, on a steelhorse I ride“.

29 Grad, ein wolkenloser Himmel und die Sonne lacht. Der Wind pfeift an mir vorbei, der so genannte “Bike-Scirocco”, der immer von vorne bläst. Ich beschließe meine 30-km-Runde zu fahren: Oesdorf, Wimmelbach, Burk, am Kanal entlang und bei Baiersdorf nach Röttenbach zurück. Augenblicklich beginnt eine merkwürdige Metamorphose: Obwohl ich selbst tagtäglich 200 km - 300 km im Auto sitze, mutieren alle motorisierten Verkehrsteilnehmer zu blutdürstigen Feinden.

Hemhofen. Tempo-30-Zone, hinter mir röhren 150 PS. Kaum ist etwas mehr Platz als Autobreite + 20 cm, zieht ein schwarzes BMW-Cabrio an mir vorbei. An der nächsten roten Ampel habe ich ihn wieder eingeholt, biege trotz Rot rechts ab (bitte nicht petzen!) und bin wieder in Front. Das muß ihn mächtig gewurmt haben, den ich sehe nur noch einen schwarzen Strich. Macht nichts, denn als Radfahrer habe ich einen Vorteil: Ich darf durch den Wald abkürzen. Ich wechsle das vordere Kettenblatt, erhebe mich kurz zum Wiegetritt, Eric Zabel lässt grüßen, beschleunige weiter und keuche auf der anderen Seite aus dem Wald. Ich habe gerade noch Zeit mich aufzurichten und ganz locker zu winken als der schwarze BMW wieder vorbei fährt. Die Lungen saugen gierig nach Sauerstoff, die Oberschenkel zittern, der Hals wird trocken. Endlich vorbei.

Weiter geht es Richtung FO-Burk und dann dem Kanal entlang. Kurz vor Baiersdorf entscheide ich mich, noch eine Schleife über Möhrendorf und Dechsendorf dran zu hängen. Denn ich liege gut in der Zeit. Das neue Bike geht wie die Angst und es bewahrheitet sich die alte Regel „Läuferwadl = schnelles Radl“.

Durch das ständige überholen von Joggern und Radfahrern am Dechsendorfer Weiher vergeht die Zeit sehr schnell und schon bin ich wieder in Röttenbach. Haha, wir Marathonis haben Dampf in den Beinen! Dann kommt die letzte Steigung am Kapellenberg. Etwas zurückgeschaltet, 85 Pedalumdrehungen sollten es schon sein. Wiegetritt, das Rad publikumswirksam hin- und hergeschwenkt, erklimme ich den Col de Capèle (Kapellenberg). Jetzt nur noch bergab, der Kilometerzähler zeigt 42. Was? Ist schon ein Marathon vorbei? Also noch ein bisschen ausrollen, das war´s für heute.

Ein Virus hat sich eingenistet, es hat Zähne, ein Kette und immer Gegenwind.

Hier ist er wieder der „ultimative Expertentipp“: Durch Ausgleichssport mindert ihr die Verletzungsgefahr, weil Euer Training weniger einseitig ist und mehr Raum für Regeneration bleibt. Besonders empfehlenswert nach einem Marathon oder einen harten Wettkampf.

Aber aufgepasst, nicht übertreiben! Nach einer Studie des Universitätskrankenhaus Brüssel, kann Fahrradfahren Männer impotent machen. Siehe NN vom 16.06.03.

Da lob ich mir das Laufen!! Keep on running!

Jochen Brosig, Röttenbach, den 30. Juni 2003
 
[team/fuss.htm]