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30.03.2003 Erster+einziger Rennsteig-Tunnellauf (28km) Autor: ErwinBittel
E-Mail: erwin@teambittel.de |
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3.000 Leute durch den längsten deutschen Autobahntunnel, der in Kürze freigegeben wird. Kühl, leichte Steigungen. Eine einzigartige Veranstaltung! Etwas ganz Besonderes. | ||
Hallo Läufer! Es ist schon ein Stück Weg, von mir zuhause bis zum Thüringer Wald. Um 06:00 Uhr (Sommerzeit) geht es los. Eigentlich erst 05:00 Uhr, denke ich und gähne. Meine Schuhe habe ich gestern schon mit dem Zeitmess-Chip verbunden. Ich hatte Sorge, ich könnte so früh morgens die Finger noch nicht gebrauchen. Vor dem Start Ich finde den Startbereich in Zella-Mehlis gut, bin früh da und hole in Ruhe meine Startunterlagen. Oh! Ein Odlo-T-Shirt für jeden! Alles ist gut organisiert. Eben vom Rennsteig-Team, mit Erfahrung. Ich erkenne die Handschrift. Ich bin überrascht wie viele Läufer teilnehmen: über 3.000! Ich spüre eine Stimmung wie beim großen Bruder „Rennsteiglauf“. Dieselben Läufer, viele Ältere, dazu viel Publikum, Buden und eine Menge Unterhaltungsprogramm für die, die nicht mitlaufen. Und gewaltig aufweckende und motivierende Musik. 11 Grad sagt das Thermometer neben dem Eingang. Im Tunnel sind es laut Prospekt 6-8 Grad. Ich werde in Kurzarm und Short laufen. Heute treffe ich keinen den ich kenne. So laufe ich mich warm und suche mir ein Plätzchen drinnen wo ich meine ROSA B. Gymnastik mache. Ich weiß nicht recht wie ich heute laufen will. Es ist mein erster schneller Lauf nach dem Winter. Start um 11 Uhr Eine Sprecherin vom MDR stimmt das Publikum auf den Start ein. Die La-Ola-Welle, der Countdown. Ich reihe mich ziemlich vorne ein. 5-4-3-2-1, ich lasse mich mit dem Strom treiben. Es geht sofort bergauf, auf die Autobahn. Und schon in den ersten Tunnel. Ein neu gebauter Tunnel. Wir sind die ersten hier, vor allen Autos. Ich fühle in mich und entdecke, dass es gut ist langsam zu starten. Keine Ahnung welches Tempo ich jetzt laufe, aber mein Puls ist okay. Es ist kühl aber nicht kalt. Ich sehe der Läuferkolonne vor mir nach. Das Laufen wird jetzt richtig gemütlich mit dem Dach über dem Kopf. Plötzlich kommt eine riesige, laute Geräuschwelle von hinten, so als würden alle Läufer auf einmal jubeln. Sie zieht als Gänsehaut über meinen Rücken. Wow! Was für ein Gefühl. Nicht viel später kommt dieselbe Welle noch einmal. Gänsehaut, und beruhigend. Es sind nicht wir, das muß ein Lautsprecher sein. Eine gigantische Kulisse, eine grandiose Idee! Jetzt komme ich in mein Tempo. Ich fühle mich wie ein Auto und wechsle auf die Überholspur. Immer mehr Läufer ziehen an mir vorbei. Ich bemerke: nicht sie, sondern ich überhole. Km5-Schild im sonst leeren Tunnel. Neben mir schon eine Weile ein sehr großer, junger Läufer. Ich plaudere mit ihm und schalte meinen Rechen-Kopf an. Also: ich fühle mich sehr gut und laufe trotz bergauf leicht. Aha! Ich werde heute 2 Stunden brauchen, sage ich zu ihm. Allmählich wird es flacher. Der Asphalt ist schon was anderes als winterlicher Waldboden, ist trocken und stabil. Km8, Getränke. Ich nehme einen Schluck Wasser. Ich laufe mit Leichtigkeit - klick – ich bin in meinem Fluss. Hey, Rennsteig, da bin ich wieder! Zuerst finde ich es prima hier im Tunnel. Kein Wind, kein Regen, kein Eis-, Schnee- oder Matsch-Boden. Und ruhig ist es. Nur das Tappen der Laufschuhe um mich herum. Meine kann ich nicht hören. Dann vermisse ich sie doch, die Natur. Keine Vögel, keine Bäume, keine Ausblicke in den Thüringer Wald. Ich bemerke wie es wieder etwas bergab geht. Der Tunnel ist lang. Ich gewöhne mich allmählich an ihn. Bis zur Wende bei km14 Ich lese km10 und bald wird es hell am Ende des Tunnels. Ich kann die ersten Fans hören. Licht. Lufthauch. Auf der hohen Brücke über der Wilden Gera stehen sehr engagiert anfeuernde Leute. Ein seltsames Gefühl, Applaus. Nach der düsteren, monoton tappenden Stille der Röhre. Ich fange ein paar Blicke auf, klatsche Hände ab und nehme einen Blick von der Weite des Waldes, auf den ich sehen kann. Jetzt kommt mir das Führungsfahrzeug entgegen, gefolgt von den beiden ersten Läufern. Nicht weit dahinter der Dritte, dann eine Gruppe von vielleicht 10 Leuten. Ich laufe lockerleicht, konzentriere mich nach innen und bin mir nicht einmal sicher, ob es Zuschauer oder Läufer sind, an denen ich vorbeisause. Dann geht es in einen kurzen Tunnel, an dessen Ende ich schon die Wende erkenne. Hui, stehen hier viele Menschen! Und applaudieren. Ich mache keine enge sondern eine weite Wende, damit ich vielen die Hände abklatschen kann. Schön. Das tut gut. Und sie nehmen es auf. Ich trinke einen Schluck Wasser, wieder in den Tunnel und sehe kurz darauf auf meine Uhr. Genau 1:00 h. Was für ein Zufall. - Die Hälfte ist geschafft. Und ich fliege weiter. Die zweite Hälfte Ich laufe konstant meinen Schritt, ab jetzt natürlich wieder bergauf. Km15. Ich bemerke, dass ich mehr und mehr überhole. So als würde ich überrunden. Na ja, es läuft gut, mir geht es prima. Wieder das Publikum auf der Brücke. Jetzt leichter Gegenwind. Ich sehe vielen in die Augen. Ich lache in mich und freue mich. Es ist ein schöner Tag. Und schwupp tauche ich wieder in den langen Tunnel ein. Ich bin mir sicher es geht gar nicht mehr bergauf, aber an der Versorgungsstation in der Mitte des Tunnels bei km20,wo es flach wird fällt es mir wieder ein. Weil es wieder bergab geht. Da fallen mir große Schritte leicht. Ich setze mich auf meine Gedanken und rolle Kilometer um Kilometer weiter Richtung Ziel. Ups, eine Auto von hinten. Ich sinniere: dies ist der einzige Rennsteig-Tunnellauf, ein besonderer Lauf. Und bald ist er zuende. Daher werde ich von nun an meine Schritte bewusst setzen und sie mir merken. Große weite Schritte. Ein letzter Blick auf die grauen Betonwände, den unterbrochenen Mittelstreifen, die Türen, den Bordstein. Ich blende alles um mich herum aus. Wie im Halbschlaf ist das. Ich höre mich atmen als wäre ich unter Wasser. Mein Herz schlägt fest und schnell. Jetzt höre ich auch den Gleichklang meiner Schuhe. Im Ziel Jäh überrascht mich das warme Tageslicht, der letzte Tunnel ist durchlaufen. Leute sitzen auf der hohen Böschung, auf dem Tunnelende und rufen uns zu. Ich grüße zurück. Jetzt nur noch ein km. Ein einziger. Ich lasse meine Beine alleine laufen, überhole noch einmal drei vier kämpfende Läufer, verlasse die Autobahn wieder und biege unter der Brücke ins Ziel ein. Einer taucht neben mir auf, wir sehen uns kurz an: „los, zusammen!“ Die letzten Meter Schlusssprint sind ein erhebendes Gefühl. Ich tauche ins klatschende Publikum des Zieleinlaufs. Wow! Hey, das war’s. Und hepp, streift mir ein junges Fräulein die Medaille um. Jetzt erst höre ich die Sprecherin, die von der ersten Frau im Ziel redet. Ich reiche dem, der mit mir ins Ziel ist klatschend die Hand und klopfe ihm auf die Schulter. Das sind die schönen Momente. – Trinken, einige Becher Früchtetee. Es ist warm geworden, die Sonne strahlt. Ich habe Durst. Und ich spüre nichts in den Beinen. Ich stelle mich in die Sonne und während das kleine Volksfest um mich herum lebt, mache ich meine Dehnübungen. Immer mehr Läufer laufen ein, einen kenne ich und wir grüßen uns. Ich bin zur Ruhe gekommen, atme wieder normal, gehe noch ein Stück. Eine halbe Stunde ist vorbei. Doch ich will nicht stehen bleiben, lieber den Läufern entgegen laufen, sie anfeuern. Ich stelle mich ans Ende des Tunnels und applaudiere. Immer mehr kommen. Ich sehe mir die leidenden, aber auch lachenden Gesichter an, die kämpfenden und versunkenen. Ein Mädchen, Andrea, fällt mir besonders auf, weil sie so leicht und locker läuft wie sonst niemand. Ein beeindruckend lockerer und schöner Laufstil. Dazu lacht sie auch noch. Ich beschließe sie auf dem letzten Kilometer bis ins Ziel zu begleiten. Sie freut sich sehr und wir reden sogar noch dabei. Andrea, solltest Du das lesen, schön Dich getroffen zu haben, mach weiter so! Erwin vom „Team-Bittel“ |
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