Team Bittel
 

Coach beim Köln Marathon  

Autor:  ThomasSchmidtkonz   E-Mail: thomas@teambittel.de
Letzte Änderung: 12.10.2002 06:17:26

Beim Köln - Marathon versuche ich mich das erste Mal als Marathonbegleiter .
Ich will die drei Novizen Britt, meine Frau Gaby und Stefan sicher durch ihren ersten Marathon durchschleusen.
Dieser Bericht erzählt wie es mir dabei erging.

Zuerst wollte Stefan für sich alleine laufen, da er schneller als die beiden Damen ist. Aber da er den August gerade mal ganze 20 km und im September nur knapp 10 km laufen konnte, beschloss er sich mit zu uns zu gesellen.

So treffen wir uns am Sonntag Morgen in der Startzone und geben zuerst unsere Kleider ab.
Als wir die Kleider schon abgegeben haben und uns schon wieder Richtung Startzone bewegen, fällt Britt ein, dass sie ihr "Lieblingsspielzeug" den Pulsmesser mit abgegeben hat.
Erschreckt läuft sie zurück und holt ihn noch. Ja bei so einem ersten Marathon kann man schon aufgeregt sein.
Recht cool sind dagegen die anderen beiden Gaby und Stefan. Von Aufregung keine Spur.

Nach 5 Minuten des Wartens erscheint Britt hochglücklich mit ihrem Pulsmesser. Super jetzt können wir doch pulskontrolliert laufen.

Wir reihen uns in den letzten Startblock ein. Anfangs ist die Stimmung sehr gut, da gute Musik gespielt wird und der Ansager gute Sprüche loslässt.
Unsere Freude wird jedoch immer mehr durch einen schneidenden Wind und üble Regengüsse abgekühlt.
So stehen wir bald zitternd im Menschenknäuel und geben schon fast so ein Bild wie die Ansammlungen der Kaiserpinguine in der antarktischen Nacht ab.
Ein Startblock nach dem anderen darf loslaufen. Aber was ist mit dem blauen Block? Hat man uns vergessen?

Eine halbe Stunde nach dem Startschuss geht zur Musik von BAP, die treffend singen "Lang, lang her",  plötzlich ein Ruck durch die Menge und wir dürfen im langsam Richtung Startlinie marschieren.

Auf den Startmatten setze ich die Stopuhr in Gang und los geht es. Rechts und links sind trotz des schlechten Wetters viele Zuschauer zu sehen. Leider ist ihr Temperament durch die niedrigen Temperaturen etwas eingefroren.

Auf der Deutzer Rheinbrücke hat man zwar einen schönen Blick zum Dom und zur Altstadt, aber es fegt so ein bissiger Wind über den Rhein, dass wir dafür kaum ein Auge haben.

Bereits auf der Brücke rutscht mein Pulsband so, wegen dem Rucksack den ich an habe, dass ich den Pulsmesser abnehme. Im Rucksack führe ich u.a. die Verpflegung für meine Schützlinge mit und kann da auch überflüssige Garderobe verstauen.
Mit meinem Puls wollte ich unser Tempo kontrollieren. Da das nun nicht mehr geht, werden wir uns nach Gabys Pulsstand richten, deren Puls recht konstant ist.

Wir laufen zwar heute nicht um Zeit ,denn es geht heute nur ums Durchkommen. Trotzdem laufen wir gegen die Zeit, nämlich die Zielschlusszeit von 6 Stunden.
Damit wir einen kleinen Puffer für die Kilometer jenseits der magischen 30 erzielen können, möchte ich, dass wir möglichst lange den Kilometer so in 7:50 / 8:00 zurücklegen können. Auf Grund des mir bekannten Trainingsstandes der drei, weiß ich dass sie damit nicht über- sonder zum Teil sogar unterfordert sind. Aber wir wollen ja mit gutem Gefühl das Ziel erreichen und nichts riskieren.

Hinter der Brücke fällt Britt bereits etwas zurück. Ich frage sie nach ihrem Puls und sie sagt mir ängstlich, dass er über 150 liegt.
Ich beruhige sie, dass das bei ihrem hohen Maximalpuls schon ok ist und kein ko zu befürchten sei.

Die ersten zwei Kilometer passieren wir nach 16:40 Minuten.
Gaby führt nun bei einen Puls um die 140 die Spitze an und bestimmt für uns glänzend das Tempo. So pendeln wir uns bald in die geplante Zielgeschwindigkeit um die 7:50 pro Kilometer ein.
Diese Tempo werden wir ziemlich genau bis Kilometer 27 beibehalten, es sei denn wir werden durch Verpflegungsstellen oder durch "Notbedürfnisse" aufgehalten. Gaby läuft auf dieser langen Strecke wie ein Schweizer Uhrwerk mit immer fast gleich bleibenden Puls.
Nur einmal muss ich sie drängen ihre Jacke auszuziehen, da ihr Puls plötzlich hochgeht. Ihr Körper hatte sich erhitzt. Danach geht der Puls wieder runter. Mit so einem optimalen Co-Trainer verbleibt für mich auf diesem ersten Streckenabschnitt kaum eine Führungsarbeit.

Gaby und Stefan haben das ganze auch sehr gut mental im Griff. Sie denken positiv und erfreuen sich an der Umgebung und den vielen Zuschauern.

Etwas mehr Sorge macht mir anfangs Britt. Als intelligenter und mathematisch naturwissenschaftlich denkender Mensch hat sie dauernd ihren Pulsmesser im Blickfeld, führt im Kopf wohl statistische Hochrechnungen und verfällt so in Panik, wenn der Puls ab und zu mal ein paar Ticks hochgeht. Jedes mal fällt sie dann eigentlich unbegründet zurück und droht unseren Zeitplan durcheinander zu bringen. Als beruhigende Worte ihre Wirkung verfehlen, drohe ich ihr scherzend den Pulsmesser abzunehmen.
Stefan sagt er schalte negatives Denken ab, denn eine evt. Aufgabe erfolgt immer zuerst im Kopf. Das überzeugt sie schließlich.
Ich erkläre auch, dass wir das jetzige Tempo so beibehalten müssen, da wir die Reserven für später sicher noch nötig haben werden.

Obwohl wir fast die Letzten sind, ist auch im hinteren Feld noch eine sehr gute Stimmung und etliche Zuschauer feuern auch uns richtig ordentlich an.
Da Gaby so gut das Tempo vorgibt, kann ich bei Zuschaueransammlungen mal mit fulminanten Spurts, Flügelschlagen, Herumgehüpfe u.ä. herumkaspern. Das hat einmal den Vorteil, dass die Zuschauer uns dann dafür besonders anfeuern und es mir ein wenig warm wird, da ich bei dem heutigen Tempo doch etwas unterfordert bin.

Viele Bands heizen uns ein und uns überholt ein barfuss als Pumuckl verkleideter Läufer. So was macht Spaß und lockert die Stimmung ungemein auf.

Nach guten 11 km sehen wir auf der gegenüberliegenden Strecke viele erwartungsvolle Zuschauer. Als wir Autos mit Sirenen kommen sehen, ist es klar, dass da bald die Spitze bereits bei KM 39 (sie durften ja eine halbe Stunde vor uns starten) entgegenkommen wird.
An einer guten Stelle bleibe ich stehen und lasse die anderen weiterlaufen. Ich muss noch eine gute Minute warten bis der Spitzenläufer bei einer momentanen Zeit von 2:02 einläuft. Ich schieße ein Foto von ihm.
Meine Hochrechnung zeigt, dass noch eine Zeit unter 2:11 möglich sein wird. Ernest Kipyego läuft wenige Minuten später in der Tat knapp unter 2:11 mit einer neuen Bestzeit für Köln ins Ziel ein.

Ich setze nun zu einen kleinen Spurt an um die anderen wieder einzuholen.

Bei der Halbmarathonmarke kann sich Britt über eine neue persönliche Bestzeit erfreuen und wir liegen nun voll im Zeitplan. Hat man anfangs noch ab und zu den Besenwagen in der Ferne gesehen, so habe wir ihn nun schon ganz schön abgehängt. Das beruhigt meine Nerven.

Etwas später sehe ich zu meiner Freude, dass wohl in Privatinitiative ein Fass Kölsch aufgestellt wurde. Hier wird dem Coach ein erfrischender Schluck isotonisch besonders wertvolles Getränk kredenzt, während seine Schützlinge derweil fleißig weiter ihres Weges gehen dürfen.
:-) So macht das Dasein als Coach voll Spaß.
Ich muss mich sehr bemühen, dass ich hier nicht versumpfe. Aber pflichtbewusst wie ich bin lege ich wieder einen kleinen Spurt ein und bin wieder in unserer Gruppe.

Ab Kilometer 28 werden wir etwas langsamer und  hinter der 30 er - Marke vergebe ich den Dreien die hohen Weihen des Marathonlaufs.
Mit vor Stolz gewölbter Brust laufen Sie einher als hätten sie erst ein paar Hundert Meter hinter sich.
Schade, dass es nun schon bald vorüber ist! Lasst uns den Rest daher genießen!
Von einem Einbruch, einer Mauer oder gar dem Mann mit dem Hammer keine Spur. Diese finstere Gestalt sucht ich heute wohl andere Opfer ...

Bei KM 31 hat auch Gaby die Marke ihres bislang längsten Wettkampfes überschritten. Da Gaby und Stefan immer noch so fit und frisch sind, schicke ich die beiden nun alleine los, während Britt und ich das ganze nun etwas gemächlicher angehen wollen.

Seitdem wir die 30 KM überschritten haben und ich mir immer wieder die Gesichter der drei genau angeguckt habe weiß ich, dass wir es alle ohne größere Probleme schaffen werden.

Eine Hochrechnung ergibt dass wir auch bei einem 9 Minutentakt problemlos das Ziel vor Zielschluss erreichen werden. Vorsichtshalber verrate ich das aber Britt nicht.
Sie schlägt sich nun sehr tapfer und hat nun auch eine gute mentale Idee gefunden. Sie fixiert sich auf eine blaue Läuferin vor uns und sagt, dass wir diese überholen werden. Das gelingt uns zwar letztlich nicht. Aber diese Läuferin bleibt immer in unserem Blickfeld. Dafür überholen wir nun überraschend noch viele andere Läufer.
Wir sind zwar nun etwas langsamer geworden und laufen den Kilometer so in 8:20 aber kommen ansonsten problemlos voran. Hinter den Verpflegungsstellen gehen wir zwischendurch immer mal ein größeres Stück. Lediglich wenn wir wieder anlaufen braucht Britt immer wieder etwas bis sie in ihr gewohntes Tempo kommt. Hier macht sich halt doch die gnadenlose und riesige Belastung eines Marathons bemerkbar.

"Frech" ist ihr zuschauender "Fanclub" als sie zu ihr bei 36 km sagen, dass sie heute schon mal besser ausgesehen hätte. Britt lässt sich aber davon nicht beeindrucken, da sie auf diesen langen Kilometern der Läuterung unterwegs ihre mentale Kraft gefunden hat.
;-) Möge ihr Fanclub auch mal diese Kraft finden. Beim nächsten Köln Marathon 2003 sind die drei vom Club gerne dazu eingeladen!

Hinter KM 40 geht es nun endlich Richtung Altstadt und vor dem Ziel legen wir noch einmal Tempo zu und überqueren beide glücklich die Zielinie.
Vor Freude, dass wir es alle geschafft haben fallen wir uns in die Arme. Britts Fan-Club jubelt uns zu.

Schon gesellen sich freudig Gaby und Stefan zu uns und wir stärken uns beim reichlichen Büffet des Zielbereiches.

Wow, es hat gut geklappt. Ich danke Gott für mein gelungenes Debüt als Marathonbegleiter und den Dreien für den Spaß, den ich mit ihnen hatte!

Weiterführender Link zum Thema: Sprungbrett zu den Berichten vom Kölnmarathon
 
[team/fuss.htm]